Sonntag, 1. Dezember 2013

Kushushu!



Hallihallo an diesem wunscherschönen ersten Advent!


Diesen Eintrag möchte ich gerne einmal damit beginnen, mich bei euch, meinen treuen Lesern, für all das liebe Feedback zu bedanken. Ich bekomme ja nicht nur furchtbar gerne Post, sondern ich finde es auch verrückt, dass mein Blog und die Rundmails auf so viel Interesse und Gefallen stoßen. Ich bin eigentlich auch zu sehr der Typ "Autor" statt "Blogger" und könnte jedesmal noch seitenweise berichten, was manchen scheinbar ganz gut gefallen würde. Aber ich will's ja auch nicht übertreiben. Obwohl - heute vielleicht schon. Adventskerzen angezündet und Lesebrillen aufgesetzt: hier kommt der letzte Roman, bevor es bald in den Urlaub geht! ;)

Also, wo beginnen wir? Am Besten ganz unten, so wie bei meiner Erstbesteigung des Tafelbergs vor einer Woche. Wer sich den Wetterbericht für diesen Tag noch einmal anschaut, wird sich schon beim Anblick der Zahlen schweißgebadet irgendwo abstützen müssen. In aller Herrgottsfrühe konnte mich davor nur die Sunblocker-Crème bewahren, in die ich quasi gekleidet war. Kushushu! ("Es ist heiß!") Dass ich "vorsichtshalber" lange Klamotten im Rucksack hatte, musste ich mir darum auch den ganzen Tag lang noch zum Vorwurf machen - es war gelinde gesagt einfach... infernalisch heiß! Der Aufstieg begann am Fuß der Südost-Seite des Tafelbergs, im botanischen Garten von Kirstenbosch.
Die Exotik fand ich dabei nicht nur in der Pflanzenwelt, sondern nach der ersten halben Stunde auch am "Skeleton Gorge", dem Pfad unserer Wahl. Mit meinen ausgelatschten Kindergarten-Tretern hab ich ja schon nicht schlecht gestaunt, angesichts des Wasserfalls, den man laut Schild auf einmal mit "ropes and ladders" (Seile und Leitern) hinaufklettern sollte. Das Ganze stellte sich im Nachhinein allerdings als relativ harmlos heraus. Das Wasser war eher eine sehr willkommene Erfrischung, um dem brutalen tata ulanga („Vater Sonne“) zu trotzen. Danach war die Baumgrenze allerdings auch schon überwunden, sodass ich mich fortan auf meinen Strohhut als einzigen Schutz verlassen musste.
Unser Ziel war zunächst Maclair's Beacon, der höchste Punkt des Tafelberg-Massivs. Gute dreieinhalb Stunden wurden für den Weg insgesamt benötigt. Einerseits war es zwar purer Wahnsinn, in der gnadenlosen Mittagshitze wie ein verirrter Wüstenwanderer die endlosen Steintreppen hinaufzusteigen - andererseits hat die Aussicht mit jedem Schritt dafür entschädigt. Die Sicht war so klar, dass ich bestimmt bis nach Südamerika hätte blicken können, wäre die Erde keine Kugel. Der gewundene Pfad eröffnete auch immer neue Perspektiven: 360° Dauer-Panorama bei nahezu uneingeschränkter Sicht!
Blick auf die False Bay
Der Beacon erschien mir dagegen nicht besonders spektakulär. Das Plateau, das sich rings um den mit einem Steinhaufen markierten höchsten Punkt befindet, und der Devil's Peak versperrten die Sicht auf Kapstadt und auch sonst gab es nicht viel zu entdecken. Also wurde beschlossen, lieber zeitig den Weg in Richtung Seilbahnstation im Westen einzuschlagen.
Die Entscheidung war goldrichtig: eine wunderschöne Route führte direkt am Abgrund in Stadt-Richtung entlang. Die Belohnung für den halsbrecherischen Aufstieg war mit keiner Kamera der Welt festzuhalten! Zentimeter vor den eigenen Füßen erstreckte sich die GANZE Tafelbucht in ihrer vollen Schönheit. Selbst der Signal Hill, von dem ich ja schon einen wunderbaren Ausblick hatte, war von dort oben gesehen nicht mehr als ein weiteres schönes Detail im Gesamtbild. Nur dort stehend käme man niemals auf die Idee, wie hässlich das Leben tausend Meter weiter unten sein kann.
Nachdem diese Aussicht etliche Male auf verschiedenen Felsvorsprüngen für atemberaubend erklärt wurde, gaben wir uns zum Abschluss noch die, wie ich finde, schlimmste Ecke des Table Mountain - die Bergstation des Lifts. Dass auf "unserem" Tafelberg, der uns im Alltag auf Schritt und Tritt am Horizont begleitet, so eine Massenabfertigung stattfindet, hätte ich nicht gedacht. Statt auf Leitern und Wasserfälle wurde hier höchstens auf "unebene Stufen" an den Treppen hingewiesen und die Betreiber verschleuderten Hot-Dogs und Souvenirs zu unverschämten Preisen an Lift-Touristen in Freizeit-Kleidung. Außerdem gefiel mir die große Anzahl an Menschen dort oben nicht, unter denen wir wie Indiana Jones mit Gefährten ausgesehen haben mussten. Also machten wir uns an den, im Vergleich zum Aufstieg nicht minder schlauchenden, Abstieg. Zahllose Felsstufen führten uns in zweieinhalb schweißtreibenden Stunden hinab zur Talstation.
Es war ein wirklich abgefahrener Tag, der unglaublich Spaß gemacht hat - und von dem ich noch lange vor allem eines hatte: Muskelkater.



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Ähnlich anstrengend war das Gardening in letzter Zeit. Im Centre-Garten hat sich seit unserer Ankunft sehr viel getan: Beete wurden neu angelegt und Verschiedenes eingepflanzt und geerntet. Eine Zeit lang verkauften wir sogar riesige Salatköpfe, die uns in einem Beet gelungen waren.
Meine Aufgaben beschränken sich momentan aber mehr auf die sogenannten "Männer-Jobs": mit der Schubkarre wichtig-aussehend über das Geländer scheppern, auf Komposthäufen herumhüpfen bis auch die letzte Stoffaser der Schuhe eingesaut ist, und vor allem Schaufeln, Schaufeln, Schaufeln. Ein bisher unbearbeiteter, wild bewachsener Bereich im hinteren Teil des Gartens wurde so z.B. innerhalb weniger Stunden zum Ort der Bestimmung für fünf Zirkel-Beete verwandelt. Die kreisrunden Gräben können später in Sektoren unterteilt werden, die nach jeder Ernte anders bepflanzt werden - damit dem Boden nicht "langweilig" wird und man durchgehenden Ertrag erhält. Die ausgeschaufelte Bodenmasse wurde dann dazu verwendet, das Gelände anderswo zu begradigen, sodass dort auch schon bald Beete gegraben und angelegt werden können.
Wenn sonst mal nichts zu tun ist, wird meistens Unkraut gerupft. In einem Garten, in dem keine Chemikalien dagegen eingesetzt werden, ist das nun mal von großer Bedeutung. Vor allem, weil alle kahlgerupften Stellen binnen einer Woche einfach wieder überwuchert sind.

Kommen wir endlich wieder nach Guguletu, wo es schon vergangenen Freitag eine vorweihnachtliche Bescherung gab. Das südafrikanische Projekt "Santa's Shoebox" ließ dem Noxolo Educare nämlich Geschenkspenden zukommen. In bunt verpackten Schuhkartons haben die Spender des Projekts jeweils Kleidung, Waschzeug, Schulsachen, ein Spielzeug und eine Süßigkeit gelegt, allein mit einem Hinweis beschriftet, welchem Alter und Geschlecht der Inhalt gerecht sein würde. Sogar Weihnachtsbäume standen in jeder Klasse, unter denen wir je einen Geschenkeberg abladen durften.
Die leuchtenden Augen der Kinder, die dann nach und nach eintrudelten, sprachen für sich. Schier unbändige Freude, gemischt mit großem Staunen und einer gewissen Portion Ehrfurcht - die Gesichter werde ich wohl nie vergessen... Mehrere hundert Euro gibt der Deutsche im Durchschnitt für die Weihnachtsüberraschungen seiner Nächsten aus; wie krass mir das auf einmal vorkommt!
Der Tagesablauf gestaltete sich ansonsten wie üblich, ans Aufmachen durften sich die Kids nämlich erst zu Hause machen. Da natürlich nicht in jeder Box das Gleiche enthalten sein kann, will man Neid unter den Kindern - und auch unter den Eltern! - unbedingt vermeiden.

Das eigentliche jüngste Highlight war für mich aber natürlich das Graduation Event, quasi die Abschlussfeier meiner Klasse. Einen Monat im Voraus hatten wir schon damit begonnen, eine kleine Show mit den Vorschülern einzustudieren. Die Vorfreude verflog allerdings leider, als wir von dem Veranstaltungsort erfuhren, bei dessen Auswahl sich unsere Principal (unserer Meinung nach) wohl gehörig vergriffen hatte. Das Ganze musste in einem guten Hotel in Sea Point stattfinden, einem der normalerweise wohlhabenderen Viertel Kapstadts und unweit der luxuriösen Waterfront. Was die Noxolo-Chefin dazu gebracht hat, eine Township-Kindergartenklasse in diese "Komplementär-Welt" zu entführen und dort deren Graduation zu feiern, muss noch ergründet werden.

Dadurch wurde das Event nämlich auch zu einer kostspieligen Angelegenheit, sodass trotz einiger aquirierter Spendengelder noch etliche Kosten bei den Familien hängen blieben. Natürlich gaben auch die Eltern aus Guguletu für diesen einen, besonderen Tag so viel aus wie sie es konnten – aber diese Location konnten sich manche verständlicherweise dann doch nicht leisten. Wegen dieser Angelegenheit wird es wohl noch einigen Diskussionsbedarf geben. Den hatten dann nämlich auch die Hotelbediensteten im Umgang mit ihren Gästen. Binnen weniger Minuten hatten die Mädchen den automatischen Handtrockner auf der Frauentoilette außer Gefecht gesetzt; eine Gruppe von Vätern blockierte - unentschlossen, welcher Knopf als nächstes zu drücken sei - für einige Zeit den Fahrstuhl und das Besteck am Snack-Buffet wurde nicht angerührt, denn natürlich isst man mit den Händen! Ich habe mich dem Ganzen einfach angeschlossen, selbst nicht wenig entsetzt von den Welten, die hier aufeinander prallten.

Gesang
Die neueste Bademode
Das alles hat dann leider einen gewissen Schatten über die eigentlich sehr schöne Feier geworfen. Es wurde unglaublich viel gesungen und auch gebetet, vor allem zwischen den Show-Einlagen meiner Vorschüler. Die setzten sich aus einem gemeinsamen Lied und Tanz, jeweils einem Tanz der Mädchen und der Jungen, einer kleinen „Modenschau“ und letztendlich der Urkundenverleihung zusammen.
endlich geschafft!
Letzter Teil hatte uns Teachern in den letzten Wochen die meisten Nerven geraubt: jedes Kind sollte sich zuvor auf Englisch mit Namen, Wohnort und einem Noxolo-Schlachtruf vorstellen. Letztendlich ist aber alles sehr schön gelungen. Als es an die Urkunden ging, wurden die Kids auch jedes Mal gefragt, was ihnen am Educare denn so am besten gefallen habe. Tatsächlich hat eine Mehrzahl mit „Tishala“, / „Teacher“ - und einige sogar mit „Lukas“ geantwortet!! Darauf war ich besonders stolz, weil ich das so niemals erwartet hätte. Folglich war ich auch bei vielen Eltern, von denen mich manche nie zuvor gesehen hatten, plötzlich sehr angesehen. Zum Glück erfuhr ich auch rechtzeitig davon, dass ich meine Klasse noch bis zu den Ferien behalten würde – so fiel das Byebye nicht ganz so schwer, auch wenn es in ein paar Tagen wohl schon so weit sein wird.
Die Veranstaltung im Nachhinein zu bewerten, fällt mir sehr schwer. Einerseits finde ich es sehr traurig, dass eine Fehlentscheidung es für manche schon unmöglich gemacht hatte, bei diesem schönen Fest dabei zu sein. Dies ist, nach dem was ich so mitbekommen habe, aber auch das erste Mal so der Fall gewesen und – zu dieser Einsicht werden es diese Erfahrung und einige Gespräche früher oder später kommen lassen – es wird wohl auch nie mehr in dieser Art und Weise stattfinden. Andererseits war die Graduation von Organisation und Unterhaltungswert her schon ein voller Erfolg und es wird wohl auch einer der ganz großen Tage sein, die ich später für immer mit meinem Kindergarten in Verbindung bringen werde. Fast ein Viertel-Jahr habe ich mit diesen Kids gearbeitet und habe schon in dieser Zeit jede Menge Entwicklung beobachten können. Umso gespannter bin ich jetzt auf meine neue Klasse, die ich nach den Ferien im Januar übernehmen werde. Da wird es dann von Null los gehen, auf dem Weg zur Hundert, der nächsten Graduation im November!




Soooooo, das war's mal wieder für heute. Ich denke, ich bin meinen Ansprüchen diesmal von der Menge her gerecht geworden. :D
Dafür gibt es jetzt ja auch länger nichts Großartiges mehr zu lesen, denn in einer Woche sind die Taschen für den Urlaub schon so gut wie gepackt und ich bin einen Monat lang auf Achse, wortwörtlich. Darauf freue ich mich ja auch schon unglaublich!

Von diesem Abenteuer hört ihr dann wahrscheinlich erst im Januar. IM JANUAR! 2014! Wie das klingt!? Da ist ja schon ein Drittel meines Auslandsjahrs vorbei! Na gut, das dauert ja jetzt noch etwas - glaube ich. Trotzdem!

Wie auch immer: macht es gut oder besser wo auch immer ihr seid!

Salani kakuhle und bis bald!

Lukas