Montag, 17. März 2014

Ausflug nach Kirstenbosch


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Seit geschlagenen zwei Stunden warte ich schon am Haupteingang, als endlich der Minibus aus Khayelitsha am botanischen Garten von Kirstenbosch ankommt. Die Fahrgäste sind drei Frauen, neun Kinder und zwei Babys und kommen aus dem Khanyisa Educare in Town II. Der heutige Ausflug ist inklusive Fahrt und Verpflegung komplett durch Spendengelder ermöglicht worden. Einen Teil davon tausche ich am Eingang gegen Tickets ein. Der Busfahrer steht erst eine Weile unschlüssig bei der Gruppe, kann dann aber nicht mehr den Blick vom Garten abwenden - und entscheidet sich schließlich, uns zu begleiten.

Alle waren extrem aufgeregt und bester Dinge. Der kleine Springbrunnen am Eingang war ja schon eine mehrminütige Besichtigung wert, aber was sich dann für ein Anblick hinter dem Ticketschalter bot, übertraf alle Vorstellungen. So viel GRÜN! Und ein Bach und Bäume und Blumen und Vögel und Insekten und Steine und der Tafelberg! Die Erzieherinnen und der Fahrer könnten sicherlich stundenlang einfach fünf Meter hinter dem Eingang wie angewurzelt stehen bleiben, aber wir haben ja schließlich Kinder dabei. Die legen sofort los und lassen keine Gelegenheit aus, urplötzlich in irgendeine Richtung wegzurennen, Perlhühner zu jagen oder auf den Grünflächen zu toben.
Erst mal ist aber Frühstücken angesagt und wir breiten die Picknickdecke unter einem gigantischen Baum am Rande eines Bachlaufs aus. Nach Banane und Joghurt sind alle satt und nehmen die Eroberung des Ultra-Baums in Angriff, dessen riesige Wurzeln und Äste sich optimal als Hindernis-Parcours verwenden lassen. Das Abenteuer wird dann mit der Überquerung des Bachs abgerundet und wir finden uns auf einer großen, abschüssigen Rasenfläche wieder, die in allen Formen (rückwärts, Augen zu, rollen, auf dem Bauch, etc.) runtergerutscht werden muss.



Die Erwachsenen haben indes Schwierigkeiten, die ungewohnte Umgebung zu verarbeiten. Noch nie haben sie sich in so prächtiger Natur bewegt! Wald und Wiesen gibt es in keinem Township der Erde und die Transkei besteht nur aus hügeligem Grasland (was ich widerum vor meinem Urlaub dort auch noch nie in solcher Schönheit gesehen habe). Der Busfahrer, der ursprünglich wieder zurück zum Arbeiten nach Khayelitsha fahren wollte, geht ab sofort auf eigene Faust durch den Garten, um mal alle Bereiche gesehen zu haben.

Unsere nächste Station mit den Kindern sind die Duftpflanzen. Minze, Currybusch, Zitronengras und Co. sind hier zum Reiben und Riechen nebeneinander angepflanzt - das riecht alles wunderbar und das Ausprobieren macht richtig Spaß. In der Abteilung für Medizinpflanzen steht der Nachbau einer originalen Xhosa-Hütte und zieht das Interesse meiner Kolleginnen sofort in seinen Bann. In dem Rundbau befinden sich dann Ausstellungsstücke wie altes, afrikanisches Werkzeug und Möbel. Wärend ich insgeheim den Eingang vor Parkaufsehern abschirme, haben die Frauen sichtlich Freude daran, die Stücke einfach aus ihren Halterungen (beschriftet mit: "Don't touch!") zu nehmen und den Kindern zu erklären, wie man sie im Alltag einsetzen kann. Eine weitere kleine Wanderung später, schlagen wir wieder unser Lager unter einer dicken Eiche auf , wo wir auch den Busfahrer bei einer Pause treffen. Wir servieren Wurstbrote und Saft zum Mittag.

Die anderen Parkbesucher, ausnahmslos weiß, sind stets sehr angetan von unserer Kindergartengruppe und wir lassen uns sogar ab und zu fotografieren. Ich spreche schon den ganzen Tag überwiegend Xhosa und habe das Gefühl, dadurch irgendwie noch zusätzlich bei den Leuten aufzufallen - naja, ist ja vielleicht auch nicht verwunderlich. ;D
Unsere Lunch-Wiese wird nach dem Essen für eine Dreiviertel-Stunde Schauplatz von Spielen wie "Perlhühnern jagen", "Wer kann am längsten rennen ohne hinzufallen?", "Eicheln vs. Bienen" und "Kuckt mal, ich hab Lukas' Sonnenbrille". Das ist irgendwann zuviel des Guten und wir steuern unsere letzte Etappe, eine Quelle im Wald, an. Wir gehen ein Stück den mir schon bekannten Weg hinauf, der auch zum Tafelberg-Aufstieg führt, und biegen dann zu einem kleinen Teich ab, von dem ein Rinnsal abfließt und weiter bergab in einen Bach übergeht. Das ist ein tolles Natur-Schauspiel und die Tatsache, dass das Wasser trinkbar ist und kristallklar schmeckt, muss mehrmals auf seine Richtigkeit überprüft werden.


Nach so einem aufregenden Tag sind alle Beteiligten ziemlich platt. Ein Mädchen schläft glatt im Stehen ein und auf meinen Schultern döst auch etwas geruhsam vor sich hin. Zeit für die Heimfahrt also. Von Biene bis Sonnenschirm wird dem ganzen Garten Byebye gesagt und in den Bus gestiegen. Es war ein unvergesslicher und erlebnisreicher Tag, vor allem - aber nicht nur - für die Kinder! In der kommenden Woche wird die Story-Time dafür genutzt werden, sich ausführlich über den Ausflug zu unterhalten: was haben wir gesehen, wo haben wir gegessen, wie hieß der große Berg und was fandet ihr am besten? Dadurch prägt die Erfahrung im Nachhinein noch viel mehr und es belebt natürlich die Fantasie, die so wichtig ist.


Die Vorstellung, ich wäre mit 5 Jahren noch nie einen Grashügel heruntergekullert, ist mir einfach unvorstellbar. Wie oft war ich als Kind mit meinen Eltern im Wald und anderswo spazieren! Wie viel habe ich dort erlebt und gelernt!
Khayelitsha ist eine große Stadt; die schöne Natur ist weit entfernt und für Township-Familien oft auch gar nicht interessant - sie haben nunmal keine Vorstellung davon. Ausflüge wie der unsrige bedeuten ihnen die Reise in eine andere Welt. Ein Ort ohne Autos und ohne Lärm, so friedlich, still, so natürlich und schön... Ich finde, es ist SO wichtig für Kinder, das regelmäßig zu erleben! Und umso trauriger ist es, dass dieses Erlebnis für manche Menschen einfach unerschwinglicher Luxus ist.

An dieser Stelle auch nochmal VIELEN DANK an unseren Spender in Deutschland, der stolz darauf sein darf, uns das hier ermöglicht zu haben, es war super! :) Und es war bestimmt nicht unser letztes Outing!

Damit genug für heute. Ihr hört von mir, wenn's wieder was zu Erzählen gibt. ;)

Bis bald,

Lukas

... Bilder nach Absprache veröffentlicht ;)

Samstag, 15. März 2014

Halbzeit!

Cheers!

Heute Nacht ist es soweit: die erste Hälfte meines Auslandsjahrs liegt hinter mir, es ist HALBZEIT!! Ist das nicht unglaublich? Vom Gefühl her bin ich eben erst aus dem Mega-Urlaub zurückgekommen, dem ja nun auch keine besonders lange Zeit vorausging! Tja, aber es ist faktisch einfach schon Mitte März. Da kommt so eine völlig falsche Aufbruchstimmung auf, es sind schließlich noch sechs Monate! Trotzdem kreisen die Gedanken immer wieder um die Zukunft - September in Deutschland, far far away...


"We often gotta look for the path - these problems are the good ones to have!"


Nein, meine Zeit ist noch lange nicht gekommen und ich bin eigentlich auch ganz froh darüber. Vor ein paar Tagen haben wir uns in der WG mal die Fotos des vergangenen Halbjahrs angesehen und sind aus dem Nacherzählen gar nicht mehr rausgekommen. So viele aufregende Geschichten verbinden uns schon mit unserem Zuhause an der False Bay! Das fällt einem gar nicht auf. Die ehemals neue Umgebung ist mir mittlerweile voll und ganz vertraut und nur noch sehr außergewöhnliche Situationen bringen einen noch aus der Fassung. Die Herausforderung besteht, jetzt wo man sich auskennt, vielmehr darin, seine Kenntnisse weiterzuentwickeln und sich ab und zu auf Experimente für "Fortgeschrittene" einzulassen - wie z.B. ein neues Projekt zu starten oder mal gekochten Schafskopf zu probieren (Zunge, Wange, Gaumen, Auge, geht eigentlich...). :D

Stimmungsgraph: [fast] alles im grünen Bereich :)

Unter anderem sind wir übrigens wegen des aktuellen Wetters darauf gekommen, uns auf den Anfang zurückzubesinnen. Der Hochsommer neigt sich leider, leider schon früh dem Ende zu. Auch wenn es tagsüber meistens noch wie gewohnt extrem sonnig und heiß wird (Gardening: 34°C), ist es nachts schon ziemlich kalt und die Tage werden kürzer. Auf den südafrikanischen Winter freue ich mich ganz und gar nicht. Durchwachsenes Schmuddelwetter und bitterkalte Nächte, die ich mit drei Pullis und Schlafsack geradeso überlebe - da könnte ich auch drauf verzichten! Aber naja, bin mal gespannt. Mit genug Rooibos-Tee geht das schon (hab da 'nen hohen Verbrauch :D). Und wenn der hiesige Winter so milde wird wie der vergangene in Deutschland - was ich so gehört habe -, brauche ich ja quasi gar nichts zu befürchten. ;)

Im Gardening stellen wir gerade Blumenkästen aus alten Paletten her.

Damit genug für heute, von diesem Thema mit der Zeit wird man bloß nachdenklich. Das muss man auch ab und zu, aber man soll ja auch nach vorne schauen können. Und da gibt es zum Beispiel den Bericht über unseren wirklich wundervollen Kindergarten-Ausflug nach Kirstenbosch vorgestern. Den mache ich in den nächsten Tagen fertig! Heute Abend steht erst mal eine 6-Monate-Party an. Also:

Bis dann!

Lukas

Mit Vollgas in die Zukunft! :D

Samstag, 1. März 2014

Welcome to Khayelitsha! - Arbeit im Khanyisa Educare Centre

Yoh!
Es ist schon wieder März und damit höchste Zeit, euch endlich mal mein neues Educare zu zeigen. Damit ich nicht alles doppelt abtippe, bin ich jetzt einfach mal so bequem und gebe euch den Link zu einem PDF, das ich auf die gerade neu-entstehende Sabantwana-Homepage gestellt habe. Da ist alles schön knapp zusammengefasst und Bilder gibt es auch:

So... wenn ihr jetzt im Bilde seid, kann ich ja ein bisschen von meiner Arbeit und den Khanyisa-Kindern erzählen. ;)

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Ich:               Was willst du denn mal werden, wenn du groß bist?
Tshomi*:     Ein Hund!

*Name geändert, Unterhaltung frei übersetzt


Es ist eine völlig neue Aufgabe geworden. Ich bin nicht mehr alleine in der Klasse, der Zeitplan wird genau eingehalten und meine Anwesenheit polarisiert das Umfeld viel mehr. Nicht, dass es dadurch einfacher geworden wäre! Auf engstem Raum zehn Kinder (vielleicht bald zwölf) mit einem Altersunterschied von 1 bis 6 Jahren zu betreuen, beschäftigen und versorgen ist manchmal durchaus ein Knochenjob.
Beim Frühstück müssen die beiden ganz kleinen Mädchen gefüttert werden. Der Morgenkreis geht dann immer recht lange und ändert sich inhaltlich nur minimal - die meisten Sachen kann ich auch schon auf isiXhosa mitmachen. Mit dem Lied "Siyahamba emsebenzini" (wir gehen zur Arbeit) werden die Maltische draußen gestürmt, schließlich will jeder die coolste Kreide mit dem Frosch drauf haben. Die verschwindet dann auf mysteriöse Weise in meiner Hosentasche und der Weg ist frei für die Kunst. Das Vorschulkind kriegt immer eine kleine Aufgabe und malt meistens erkennbare Dinge (Auto, Haus, Lukassi), wogegen die Kleinen erst noch ihren Stil in diversen Schraffurtechniken ausprobieren können. Anschließend ist die erste Free Playtime, bei der ich mir immer für jeden Tag gezielt nur ein Spielzeug aussuche und mich damit beschäftige, quasi zum Abschauen und Mitmachen. Dadurch lernen die Kids, wie man mit den Sachen umgeht und dass man sie auf keinen Fall isst. Zwischendurch ist Snacktime, wobei Obst und Joghurt gefüttert werden und der Angeber mit der coolsten Pokémon-Brotzeitdose ruhiggestellt wird. Nach der zweiten Playtime ist Storytime, was nach dem Spielen in puncto 'ruhig Zuhören' nicht immer ganz einfach ist. Pro Woche wird auch immer nur ein Buch vorgelesen. Dadurch lernen die Kinder die Geschichte immer besser kennen, können sie irgendwann sogar ganz aufgeregt miterzählen und freuen sich trotzdem immer wieder auf die "Pointe" und die Bilder. Ich lese dabei auf Englisch vor, die Teacherin übersetzt. Während dem Mittagessen bereite ich die Schlafmatten vor und weise dann jedem seinen Platz zu.
Bis dann der Transport kommt, habe ich die unterschiedlichsten Aufgaben. Mit dem Sohn meiner Principal habe ich sogar schon nähen müssen - Nähen! Wir hatten zwar beide von Tuten und Blasen keine Ahnung, aber irgendwie haben wir tatsächlich mal einen dreifarbigen Stoffball hergestellt. Ein andermal haben wir eine Holzstange (vermutlich ein ehemaliger Besenstiel) an Seilen befestigt, über einen Dachbalken geworfen und festgezurrt - eine sehr einfache, aber taugliche Schaukel. Dazu kommt auch noch immer ein bisschen Sprachunterricht: Meine Xhosa-Aufzeichnungen und -Kenntnisse haben sehr großen Eindruck gemacht. Seitdem lasse ich mir immer eine Weile aus einem Wörterbuch vorlesen und tue auch bei Vokabeln wie "Topflappen" und "Schaltgetriebe" schön interessiert. ;)


In Khayelitsha zu arbeiten ist also schon eine ganz andere, neue Erfahrung. Auch für die Town Two-Bewohner, die immer mal wieder zufällig vorbeikommen um mich zu begutachten und kennenzulernen. Sogar der Community-"Bürgermeister" war mal zu Gast! Und die Eltern sind sowieso begeistert von dem, was sich in dieser unscheinbaren Kindergarten-Hütte plötzlich tut.
In zwei Wochen werden wir dank Spendengelder sogar einen Ausflug in den Garten von Kirstenbosch machen können. Das wird sicherlich ein sehr schöner Tag für die Kinder! Außerdem verhandeln wir gerade mit dem Noluthando Daycare in der I-Section. Noluthando ist der größte zum CCE gehörende Kindergarten und besitzt einen riesigen Spielplatz - und bei über 350 Kindern (!) fallen unsere zehn Khanyisa-Kids nicht wirklich ins Gewicht. Wir könnten also z.B. einmal in der Woche zum Spielen ins Noluthando gehen! Es bliebe nur noch eine Frage des Transports und dessen Finanzierung, aber wir arbeiten daran. ;)

Die Arbeit gefällt mir bisher ganz gut, auch wenn es an manchen Tagen wirklich an die Stressgrenze geht. Das Noxolo Educare fehlt mir trotzdem immer noch. Ich fürchte mal, da kommt bald eine schwere Entscheidung auf mich zu! Aber man wird sehen.


Dafür geht es in der Freizeit gut aufwärts, denn ich werde kommende Saison in der Second Division den Tischtennisschläger schwingen. Das ist immerhin die dritthöchste Spielklasse im Western Cape, dem mit Abstand größten südafrikanischen TT-Regionalverband. Ich werde also auf jeden Fall ziemlich gefordert sein, aber ich freue natürlich seeehr darauf! :)




Am Mittwoch-Abend haben wir Rapture 2014 besucht. Eminem, die lebende Rap-Legende, hat eine gigantische Show für Cape Town hingelegt! Das Konzert fand im ausverkauften WM-Stadion statt und war von von Anfang bis Ende der absolute Hammer! Unvergesslich!



Sooo und dann habe ich gerade auch noch die Einladung zu meinem Rückkehrseminar in Deutschland erhalten. Man, es ist schon März?! Auf der anderen Seite... wer spricht denn schon von Rückkehr? Ich kann (und will) es mir noch gar nicht vorstellen. ^^

Tja. Also das war's dann wohl für heute. Ihr hört dann wieder von mir, wenn ich genug zu Erzählen habe, z.B. von dem Ausflug. :)

Bis bald!

Lukas

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Die angenehmsten = die langweiligsten Orte der Welt?
Hier ist ein Song, den ich gerade sehr gerne höre! ;)