Sonntag, 24. August 2014

Unyaka wam uphelile...

Molweni, liebe Freunde der Bloggerkunst!

Lang ist's her, ich weiß... aber ich war auch ziemlich busy und bin es eigentlich immer noch. Auf meinem imaginären Schreibtisch türmt sich ein imaginärer Stapel Papier. Aber mal den Blog zu pflegen gehört ja auch zu den Dingen, die ich noch erledigen wollte, also!
Wer es noch nicht bemerkt hat, es ist schon Ende August. Hallohooo, ENDE AUGUST! Das kann einfach gar nicht sein, wenn ihr mich fragt. Aber die Fakten, wie dass die Hälfte unserer Freiwilligengruppe bereits abgereist ist, überraschen mich jeden Tag aufs Neue mit der Wahrheit. Und es dauert dann auch immer ein bisschen, bis ich begreife, dass ich ja in ein paar Tagen selbst an der Reihe bin. Aber dazu einiges... später!

Teil 1:
Ich fasse die Zeit seit dem Urlaub jetzt mal ein bisschen knapper zusammen als normalerweise, sonst sprengt es diesmal wirklich den Rahmen. Ich wollte ja eigentlich erst wieder bloggen, wenn der Alltag wieder etwas eingekehrt ist, aber dann wäre der nächste Eintrag vermutlich im Oktober gekommen.
Mit dem Urlaub ging es nämlich direkt noch eine Woche weiter. Unser guter Transport-Fahrer ist ja aus gesundheitlichen Gründen ausgefallen und kann momentan immer noch nicht arbeiten. Es dauerte 5 Tage, bis Ersatz eingestellt wurde und so hatten wir noch ein bisschen Extra-Urlaub. Am Dienstag war ich dann zum ersten Mal wieder im Kindergarten. Es hatte sich während der Ferien nichts verändert, außer dass noch zwei neue Kinder dazugestoßen sind. Die Betreuung übernehmen jetzt übrigens immer die Tochter der Principal und eine Erzieherin aus dem Eastern Cape, die am CCE eine Ausbildung machen will. Aus Namibia hatte ich viele Postkarten mit Tier-Motiven von Antilopen, Löwen, Giraffen und von der Wüste mitgebracht und wir haben einige davon an die Wand gehängt. Die Kinder haben dann bei der Story Time erzählen dürfen, was sie darauf sehen: Kuh, Kuh, Kuh, Pferd, Kuh, Katze, Kuh, ... :D  Ich schreibe auch neuerdings Beobachtungen über das Verhalten der Kinder auf, die dann bei Elterntreffen präsentiert werden sollen.
Im Woodwork habe ich damit begonnen, einen Laufstall für die ganz Kleinen zu bauen. Das sollten ein paar niedrige Zaunelemente sein, die nach Belieben zusammensetz- und faltbar sind (ähnlich wie ein Hasengehege). So ein Bereich wird bei uns immer mehr nötig, da die Babies an Zuwachs gewinnen und möglichst nicht zusammen mit den Größeren spielen sollten. Wenn Kinder nämlich mit kleineren Kindern "Kind" spielen, endet das manchmal ziemlich brutal. Von den ganzen Unfällen ganz zu schweigen. Also muss eine eingezäunte Fläche her, die bis oben hin mit Decken und Spielzeug gefüllt ein schönes Krabbel-Paradies ergibt. Für das Material habe ich mir wieder ein paar Paletten organisiert, aus denen ich die Bretter gewinnen konnte, die dann bloß noch zurechtgesägt und -geschliffen werden mussten, bevor sie zusammengeschraubt werden. Das sollte dann in den folgenden zwei Wochen passieren - unter Mithilfe.

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Freitag, 01. August, 14:00, Wochenende! Zwei Zaun-Dinger waren fertig- und ich zufriedengestellt. Ab ins Auto, duschen, umziehen, fertig. Auto? Ja, seit Mittwoch war ich stolzer Mieter eines alten Mazda 323 (der Stilvolle mit Stufenheck :)). Warum? Ich bekam Besuch, und zwar noch heute! Viel mehr als ein bisschen däumchendrehend auf der Couch sitzen war dann auch nicht mehr zu tun, dann ging's schon zum Flughafen.
Zwischeninfo: Vor zwei Monaten hatte ich erst davon erfahren, dass Sönke schon vor einem halben Jahr den Flug nach Kapstadt gebucht hatte. Zwei Wochen sollten's genau sein. Gut also, dass ich meine verbleibenden 5 Urlaubstage aufgehoben hatte. Vor einiger Zeit war das noch ganz weit weg - und jetzt war plötzlich der erste August. Den Mazda auf P2 geparkt, stand ich 30 Minuten zu früh am Arrival und sah noch ein bisschen dem Flugverkehr draußen zu. Zufälligerweise traf ich dort Jonas, der aus der Maschine vor meinem Besuch seine Schwester abholte.
Wiederum 30 Minuten später stand ich immer noch am gleichen Fleck. Der Flieger aus Katar war schon längst gelandet und die Ankunftshalle so gut wie verwaist. Eigentlich waren da nur noch ein paar traurige Taxifahrer und ein Vertreter, der mir mit so einer blöden Wein-Tour auf den Senkel ging. Ich hatte mir zwischendurch sogar erlaubt, eine Flasche Wasser kaufen zu gehen, es kam ja eh niemand mehr aus der Gepäckhalle...
Kaum war die leergetrunken und in den Müll gewandert, kam er doch noch mal ums Eck, der Kollege! :D  Jipiiiiieeeeeeee! Hallo, hallo, wo ist dein Koffer, nicht dabei gewesen, ach Scheiße, naja, guck mal da, was denn, ouuuuuuuuuh nein! ... Man darf sich das jetzt so ähnlich vorstellen wie in der Show bei Kai Pflaume, wo dann urplötzlich irgendeine verschollene Person durch den magischen Tunnel kommt und man danach die Lautstärke runterdrehen muss, weil die sich alle so ankreischen. Nur hab ich nicht gekreischt, sondern einfach erst mal nix gesagt: da kamen ja nochmal fünf Leute aus dem Flugzeug!!! Ich dachte, ich werd bekloppt! Darauf wär' ich ja im Leben nicht gekommen. ich glaube, sooo sehr bin ich noch nie überrascht worden... ^^ Mathias, Phillip, Jonas, Nina, Michael, nochmal hier: das ist euch sehr gut gelungen. ;D
Innerlich musste ich jetzt zwar alle Pläne und Vorstellungen von den bevorstehenden 14 Tagen binnen weniger Augenblicke über den Haufen werfen. Ach, aber ich muss sagen, das war eigentlich ziemlich schnell akzeptiert. Bis auf dass ich jetzt keine Matratze mehr ins Zimmer werfen, sondern stattdessen immer bis in die Stadt zu deren Apartment fahren musste, war ja eigentlich nicht viel anders so von der Planung her. Die gab's eigentlich ohnehin nie, ich hatte bloß so ein paar Must-Do im Kopf, von denen manche jetzt als Gruppe nicht mehr machbar waren, aber was soll's. Die vertrauten Gesichter und den Tafelberg nebeneinander zu sehen, war schon interessant genug. Und außerdem hat Cape Town jetzt definitiv ein paar große Fans mehr, würde ich sagen. Diese zwei Wochen haben praktischerweise auch mir nochmal die Gelegenheit gegeben, die schönsten Orte meiner zweiten Heimat zu besuchen, auch wenn es davon wirklich noch unendlich viele mehr gibt, als wir in den paar Tagen sehen konnten. Ich zähl mal (nicht nach Reihenfolge) auf, was so los war:
Die wichtigen Touristen-Spots am Kap von Pinguin-Beach über Cape Point, Chapman's Peak und Signal Hill waren natürlich dabei. Auf der gleichen Route, die ich hier schon einmal beschrieben habe, haben wir den Tafelberg bei allerbestem Wetter bezwungen und die unvergleichbare Aussicht über diese riesige Stadt und darüber hinaus genossen.




Eine Nacht auf der Long Street feiern zu gehen war auch quasi Pflicht-Erlebnis. Eine etwas andere Safari haben wir in Buffelsfontein im West Coast-Park mitgemacht - das Westkap ist einfach nicht DAS Safari-Afrika aus dem Bilderbuch - aber es war trotzdem ganz schön und abwechslungsreich. Diverse Strände vom südlichen Betty's Bay bis hoch nach Blaauwberg sind nacheinander immer wieder zum jetzt-aber-wirklich-mit-Abstand-schönsten Strand überhaupt gekürt worden. Und vom Township sind meine deutschen Gäste sogar gleich am ersten Tag etwas weichgeklopft worden - der Braai-Place bei Mzoli's in Guguletu war SO voll und laut wie noch nie! Das war ne Riesen-Party, der Hammer! Vier von Sechs haben sich auch mal einen Vormittag lang ins Educare getraut und ein paar Kids beim Spielen beglückt. Tischtennis war ebenfalls im Programm und wir haben leider ausgerechnet an dem Abend mit dem meisten Publikum (10 reine Zuschauer!) knapp mit 4:6 verloren, darunter ich mein einziges Einzel in der Rückrunde bisher.
Und bei Woodwork haben wir das Zäunchen für die Baby-Ecke gemeinsam um zwei Elemente erweitert, eine Bank kaputt gemacht und wieder repariert, Nägel gerade geklopft und Blöcke geschliffen. Der Baby-Court ist inzwischen Gelb-Blau gestrichen worden und wartet nur darauf, nach Khayelitsha gebracht zu werden.


Tjaaa, es war zwar manchmal etwas stressig und schwer, meinen Alltag mit der Reiseführer-Tätigkeit unter einen Hut zu bringen, aber unter'm Strich war das natürlich ein unvergesslicher Meeeega-Urlaub! :)
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Teil 2:
Spätestens jetzt ist der "Alltag" aber gar nicht mehr wiederherstellbar. Dort am Flughafen im Abflug-Bereich zu stehen, hat mich schon mit einem gewissen Grauen erfüllt. Und zu Hause in Muizenberg kommt auch regelmäßige Gruppen-Bestürzung auf, wenn es um das Thema Abschied geht. In einer Woche sind wir nämlich schon nur noch zu viert in der WG. *schauder*
Hachja. Es hilft alles nichts. Immerhin kann ich das emotional mittlerweile grob kategorisieren. Nicht-weg-wollen: 50% | Freude auf Familie & Freunde: 50% | Lust auf Deutschland: 0%
Vor einem Jahr habe ich immer gerne Blogs wie meinen jetzt gelesen und damals gedacht: Zurückkommen? Wo ist denn das Problem? - Aber heute weiß ich, dass da viel mehr dran hängt, als ein Jahr voller einmaliger Erlebnisse. Das ist nicht so einfältig wie diese teuren "Work & Travel"-Reisen mit dem Motto: alles gesehen, nichts erlebt! Nein, denn Cape Town ist jetzt ein Ort, an dem ich mich so gut auskenne, wie kaum sonstwo! Ich habe hier Freunde und Erfahrungen fürs Leben gewonnen und von Anfang an eine supergeile Zeit gehabt - das hat sich alles ganz von selber mit der Zeit entwickeln können. Das liegt natürlich auch an der Ausgangsposition, von der man als Freiwilliger das Glück hat, ein Land kennenzulernen. Nicht als "oberflächlicher" Tourist und heute-hier-morgen-da, sondern als Local. Die beiden großen Urlaube haben mich durch ganz Südafrika und Namibia gebracht, aber ich weiß: selbst dabei habe ich nur einen kleinen Bruchteil der unzähligen "Wooooooooaaaah!"-Orte in diesem schönen Land gesehen. Und so ist es auch hier am Kap mit den Erlebnissen immer noch jeden Tag.
Es gäbe also viele Gründe, noch zu bleiben, aber das steht nicht zur Wahl. Es muss ja irgendwann weitergehen mit dem determinierten Arbeit-Rente-Schluss-Weg. Den werde ich zumindest versuchen, in bestmöglichem Zickzack zu gehen. Nach SA komme ich dabei ganz bestimmt öfters zurück (und wenn die Kriegstreiber in Europa an der Macht bleiben, umso eher). Ich will am liebsten auch die ganze restliche Welt sehen, in der ich lebe, und als Erste-Welt-Bürger genieße ich schließlich das kostbare Privileg, dass das mit ein bisschen Geld gar nicht so schwer ist. Auch ziemlich krass, wenn man mal darüber nachdenkt!


Freiwilligendienst - das macht man eigentlich nur einmal. Ich weiß, dass es eine der besten Entscheidungen meines Lebens war. Es ging von Beginn an darum, sich das überhaupt zu trauen. Und ehrlich gesagt hatte ich damals keine Ahnung, ob ich mit dem Kindergarten-Job nicht völlig verzweifeln würde. Ich dachte für lange Zeit, das wäre eigentlich gar nichts für mich, aber ich würde die Herausforderung annehmen. Und dann habe ich für mich herausgefunden, dass es fast nichts Leichteres gibt, als Kinder in dem Alter zu beschäftigen und dass es sogar Spaß macht. Das war nur eine von vielen Dingen, die mir nur der Freiwilligendienst beibringen konnte. Als großes Beispiel fällt mir natürlich auch meine neue Sprache ein, isiXhosa, die ich schriftlich inzwischen ziemlich gut beherrsche und mich mündlich einigermaßen verständigen kann. Noch mehr special geht ja kaum, als mit so einer Referenz nach Europa zurückzukommen! Zu guter Letzt sind es aber vor allem die Dinge, die abseits des Lebenslaufs stattgefunden haben. Von der geistigen Veränderung habe ich ja schon gesprochen, der Art, wie man die Welt mit anderen Augen sieht, nach einem Jahr in der Dritten Welt. Das gilt für die eigene Lebensweise, aber auch für viele politische Ansichten.
Bei allem was ich hier mitnehme ist natürlich auch die Frage berechtigt: welche Spuren hinterlasse ich, was bleibt von mir hier? Eine sehr schwere Frage, denn das kann man eigentlich nur vermuten. Außer materiellen Dingen wie der Toilette, der Baby-Ecke, dem gefixten Dach und anderen Verbesserungen im Kindergarten - wo steht mein Name dahinter? Erinnerungen sind das Hauptsächliche! Der Gedanke, dass ein weißer Tishala sich ein Jahr lang im benachbarten Educare abgerackert hat, jetzt sogar die einheimische Sprache spricht und in einer völlig anderen, aber erfolgreichen Art mit den Kindern umzugehen pflegt, setzt sich auch in den Köpfen der Community irgendwo fest und wird anerkannt (oder eben nicht). Beim Zwischenseminar haben wir gelernt, dass das allein schon eine Leistung ist. Und den Leuten, mit denen ich direkt zu tun hatte, werde ich sowieso in Erinnerung bleiben. Die haben von mir zwar längst nicht so viel "Deutschland" von mir abbekommen, wie andersherum, aber sie werden trotzdem vieles für immer mit mir in Verbindung bringen und vielleicht nach meinem Vorbild handeln. Natürlich nicht nach "deutschem" Vorbild, nicht dass das falsch verstanden wird! Einfach nur die Art und Weise, wie ich z.B. die Kinder unterhalten habe, wie ich einen Stuhl repariert habe, welche Meinung ich zur Rassen-Unterteilung kundgetan habe, was ich von der Kirche gehalten habe, wozu ich mir welche Gedanken gemacht habe... Und ich habe dafür so einiges vom African Style annektiert, indem ich manches so viel gelassener und offener angehe, als der typische deutsche Brummbär. Falls so eine Einschätzung überhaupt möglich ist. Mit anderen Worten: Ich weiß, ich habe mich verändert, aber fragt mich nicht, was jetzt genau anders ist!

Tja, das klingt jetzt schon alles so sehr nach Abschluss-Eintrag - und das soll es auch. Unyaka wam uphelile, mein Jahr ist zuende. Ich lasse es mal dabei bewenden. Die größte Schwierigkeit ist sowieso, solche über ein Jahr gereifte Denkweisen und Erkenntnisse irgendwie an Außenstehende zu vermitteln. Ein bisschen freue ich mich da schon auf das Rückkehrer-Seminar in Tübingen, wo sich dann geballte Auslandserfahrung in Person von vielen, vielen Freiwilligen trifft und austauscht. Das Gegenteil kommt in dieser Woche jetzt auf mich zu: heute kommt schon die erste Gruppe neuer Freiwilliger - also Nachfolger - an! Bin mal gespannt, ob ich in denen vielleicht was von meinem 2013-Ich wiedererkenne. ;)

Vor meinem Abflug melde ich mich nochmal. Das ist in haargenau............... drei Wochen!
Letzte Info: ich bin über alle in Deutschland bekannten Handynummern nicht mehr zu erreichen. Wer meine Nummer braucht, schreibt mir ne Mail oder es in die Kommentare. ;)


Bis bald-bald-bald,

Lukas