Die Idee

Warum habe ich mich überhaupt für ein Auslandsjahr entschieden?

Wodurch bin ich auf den Freiwilligendienst "weltwärts" gekommen?

Wie bin ich bei den "Freunden der Erziehungskunst Rudolf Steiners" gelandet?

Das alles erkläre ich hier. Und dazu hole ich auch gerne sehr weit aus. Wem das aber zu viel ist, der orientiert sich einfach an den fett markierten Wörtern. ;-)
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Der erste Funke entspringt einer der unzähligen "Was mach ich nach dem Abi"-Informations-veranstaltungen an meiner Schule. Studium hier, Ausbildung da - oder vielleicht doch zur Bundeswehr? Hm. Ich hatte mich Anfang Oktober 2012 schon seit einem guten halben Jahr für einen Studiengang entschieden. Dann wieder nicht. Und dann wieder doch. Jedenfalls bekamen wir an diesem Abend mal wieder das gleiche Blabla ins Hirn geschraubt wie schon gefühlte hundert Mal zuvor - mit einem Unterschied: nach dem Kaugummi-Vortrag durften wir uns aufteilen und verschiedenen ehemaligen Schülern zuhören, wie sie ihre Zeit nach dem Abi bisher zugebracht hätten. Zufällig laufe ich da in meinem Desinteresse an allem und jedem an einer Erzählrunde über ein Auslandsjahr vorbei. In Australien sei er gewesen, der Referent, er habe Work & Travel gemacht und er hätte die geilste Zeit seines Lebens gehabt. Alle Zuhörer finden den Vortrag ganz nett, aber niemand kann sich wirklich vorstellen, es selbst einmal im globalen Süden zu versuchen. Niemand außer mir.

Da war also schon der erste Grundstein für meine Motivation gelegt, ernsthafte Recherche zu betreiben und mich zu informieren. Keiner wusste von meinem Vorhaben und wenn ich es einzelnen Personen doch einmal offenbarte, haben sie mir eher davon abgeraten. "Das ist Zeitverschwendung", so der Grundtenor, "verdien' lieber Geld!". Insgeheim gab ich ihnen immer Recht, aber irgendwie hat mich das Thema nicht mehr losgelassen. Ich hab mir unglaublich viele Angebote angesehen, Auslandsjahre werden ja schon fast wie verlängerte Urlaube verkauft, mit dem Unterschied, dass man sich für den Reiseantritt bewerben muss. Als ich darüber mal nachgedacht habe, sah ich auf den Homepages nur noch überall $$$ und €€€. Das konnte nicht das Richtige für mich sein. Ich will doch was erleben, was... kennenlernen. Wie soll das mit ein bisschen Elefanten-Streicheln gehen? Am besten noch direkt vom Balkon des 5-Sterne-Apartments aus, damit auch ja alles bequem und sicher ist. Es musste Alternativen geben. Zurückerinnern konnte ich mich auch an das Projekt "Aktion Tagwerk" an unserer Schule: An einem Tag im Jahr haben wir Schüler in verschiedenen Unternehmen gearbeitet, ich selbst war bei der Firma Egenberger (siehe auch: mein Förderkreis). Der ausgehandelte Stundenlohn ging an eine Organisation, die in Süd- und Ostafrika Schulen baut und unterstützt. Vorgestellt wurde das Ganze von zwei ehemaligen Freiwilligendienstlern.

Aber wo kann man sich für etwas in diese Richtung bewerben? "Den DED gibt es doch", schlägt mein Vater vor, nachdem ich meinen Eltern meine Pläne auch mal eröffnet hatte, "ich hab da was gelesen...". Ja, habe ich auch - aber nichts Gutes. Der Deutsche Entwicklungsdienst ist nämlich seit 2011 nicht mehr. Überall, wo die Meldung zu lesen ist, wird auf den neuen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst "weltwärts" verwiesen.
Der Name ist auch schon mal im Geographie-Unterricht gefallen. Also habe ich in meiner mittlerweile routinierten Arbeitsweise die Seite www.weltwaerts.de mit ansteigender Begeisterung komplett durchforstet, Videos angesehen, Erfahrungsberichte gelesen (gute und schlechte!) - und schon hatte ich ein neues Ziel: ich will WELTWÄRTS gehen! FJA und IJFD sind Alternativprogramme - aber mir persönlich zu teuer und zu langweilig. Wie gesagt, ich will was erleben. Wenn ich in die USA oder nach Australien gehe, habe ich weniger davon, das ist meine Überzeugung. Und im Ausland war ich schon oft: Cluburlaube sind echt schön, aber im Prinzip immer das Gleiche. Rundreisen sind interessant und aufregend, wenn man sich für Sehenswürdigkeiten und Touristenhochburgen begeistern kann. Ich habe jeden einzelnen dieser Tapetenwechsel genossen, aber eins kann ich nach all den Jahren schon feststellen: den Westen mit seinen Standards bin ich gewöhnt - wenn ich dort hin ginge, wo bliebe da noch die große Herausforderung?

Der Abenteurer ist übrigens eine völlig neue Seite, die ich an mir entdeckt habe. Eigentlich bin ich der ordnungsliebender Typ, manchmal fast schon perfektionistisch. Jedenfalls habe ich meinen stummen Schrei nach Durcheinander und so etwas wie einer "Scheiß drauf"-Mentalität erst jetzt richtig wahrgenommen. Dazu kommt noch der Wille, endlich eigenständig zu sein, die Grenzen von Freiheit und Selbstbestimmung auszutesten und eine Aufgabe zu haben, die sich nicht gerade im für mich weltfremden Reich der Mathematik abspielt. Die Voraussetzungen für einen "weltwärts"-FWD habe ich also. Jetzt musste nur noch ein geeignetes Projekt her. In der Projektbörse gab ich Afrika und Asien als Wunschkontinente an, dass ich Englisch und Französisch spreche und eigentlich in allen Bereichen gerne arbeiten würde außer im Gesundheitswesen, für das ich mich einfach nicht kompetent genug fühle und das mich auch einfach nicht interessiert. Meine Suche ergab über 600 Treffer, die ersten 200 wurden mir angezeigt. Die Vielfalt von "weltwärts" ist unglaublich.

Zwei Monate später, zwischen den Feiertagen an Weihnachten und Silvester, schickte ich die erste Bewerbungsflut los. Im Januar die zweite. Ich war für eine Ausreise im kommenden Sommer extrem spät dran, viele Organisationen beendeten ihre Bewerbungsfrist schon bevor ich überhaupt etwas von "weltwärts" gehört habe. Nach und nach trudelten die ersten Absagen ein, ich führte zwei Telefoninterviews, wovon eins schlecht für mich lief und das andere mich auf eine Rückmeldung "in den nächsten zwei Monaten" vertröstete. Nur eine Organisation hat mich innerhalb kürzester Zeit mit einer Einladung zum Orientierungsseminar überrascht: Die Freunde der Erziehungskunst Rudolf Steiners. Rudolf Steiner? Ist das nicht der mit der Waldorf-Schule? Genau, das ist er. Von Freund und Feind belächelt stieg ich Anfang Februar dann in meinen IC nach Karlsruhe, selbst nicht genau wissend, wie ernst ich die Sache nehmen soll. In meinem Umfeld sieht man die Waldorf-Leute
Schloss Karlsruhe
nämlich als einen Haufen Kasper, die in der Schule den ganzen Tag ihren Namen tanzen, weil sie mit der Härte von normalen Schulen niemals zurechtkämen. Doch ich sollte eines besseren belehrt werden. Ich hab versucht, objektiv an die Sache ranzugehen, viele Vorurteile wiedererkannt, aber sie auch respektiert und näher kennengelernt. Eigentlich muss ich echt zugeben: dieses Wochenende war schon extrem geil. Das heißt aber übrigens nicht, dass ich die Waldorf-Philosophie zu 100 % unkritisch sehe. Meine Seminargruppe bestand auch mehrheitlich aus Nicht-Waldorfschülern. Jedoch hätte ich nie gedacht, dass man innerhalb von 28 Stunden so viele nette Menschen auf so einer harmonischen Ebene kennenlernen kann. Die tolle, freundschaftliche Atmosphäre war von Anfang an vorhanden - befremdlich, aber irgendwie beruhigend. Auf dem Seminar erfuhren wir einiges über den Verein selbst, über Antroposophie und Waldorf-Pädagogik, aber vor allem auch viel darüber, was es eigentlich bedeutet, einen Freiwilligendienst zu leisten und alles was man über "weltwärts" und seine Abläufe wissen muss. Außerdem gab es eine individuelle Beratung für jeden von uns, welche Dienststelle am besten zu uns passen würde. Ich bin mit einem guten Gefühl wieder abgereist.

Das Ende vom Lied bildete meine erfolgreiche Bewerbung beim Centre for Creative Education in Kapstadt über das Bewerbungsportal der "Freunde". Eine Bildungseinrichtung, Arbeit mit Kindern und in anderen Bereichen, eine der schönsten Städte der Erde und jede Menge sammelbare Erfahrung - das ist mein Projekt! Als ich zu Hause über das Handy von meiner Zusage erfuhr, lag ich erst mal für einen Moment mit dem Kopf auf dem Schreibtisch, bevor ich meine Fäuste dagegenschlug und sofort allen von meinem neuen "weltwärts"-Status erzählen musste. Den Arbeitsvertrag habe ich in den Folgetagen angenommen, meinen Förderkreis habe ich beisammen - alles klar: ich gehe WELTWÄRTS!

Und die Fortsetzung dieser Geschichte findet ihr natürlich hier: Im ersten Blogeintrag. ;)