Donnerstag, 17. Oktober 2013

"Erzähl doch mal..." und BILDER

Heyho!

Mein Kalender verrät mir, dass der erste Monat im Regenbogenland schon vorbei ist. Zeit, mal wieder ein bisschen was zu berichten!

Ich beginne im Projekt, im Noxolo Educare. Mittlerweile habe ich eine eigene Klasse, die sich größtenteils aus Vorschülern zusammensetzt. Das hat den Vorteil, dass man den Kindern auch schon ein bisschen was beibringen kann, soweit man es fertig kriegt, es mit Händen und Füßen zu erklären. Englisch wird zwar auch gelernt, aber praktisch nicht verstanden oder angewendet. Und mein isiXhosa beschränkt sich immer noch auf die grundlegendsten Ausdrücke. Immerhin kenne ich jetzt alle Namen in meiner Klasse, nachdem eine "Writing"-Übung daraus bestand, seinen eigenen Namen von einem Streifen Papier abzuschreiben und ich jedem mal helfen musste. Andere Einheiten drehen sich ums Malen, Singen, Tanzen, oder Sport. Hört sich gut organisiert an, ist es aber überhaupt nicht. Wenn ich Übungen, wie meistens, alleine anleite, geht es mangels Xhosa-Sprachkenntnisse manchmal schief.
Beispiel: alle Kinder machen einen Kreis, nur eines weiß nicht was passiert. Ein anderes spielt Sheriff und zerrt das eine Kind an der Kapuze rückwärts in die Reihe. Dort angekommen geht das Geschubse los, weil an der Kapuze gezogen zu werden ja nicht gerade nett ist. Ein anderer Sheriff aus der gegenüberliegenden Ecke mischt sich mit einem saftigen Tritt in den Hintern ein, woraufhin sich zehn andere Kinder plötzlich zu Sheriffs berufen fühlen und dem neuen schwarzen Schaf nachsetzen, das mittlerweile hinter mein Bein geflohen ist. Während der ganzen Prozedur langweilt sich der friedliche Teil der Gruppe und beschäftigt sich damit, sich irgendwas über 10 Meter Distanz zuzubrüllen oder im Raum ne Runde Joggen zu gehen. Bumm, Chaos! 
In solchen Fällen ist Improvisation gefragt. Zwei Schläge auf die Bongo und ein paar Befehle auf Anfänger-Xhosa reichen meistens aus, um für den Bruchteil einer Sekunde die gesamte Aufmerksamkeit der Gruppe zu bekommen. Dann muss ganz schnell irgendeine Übung zum Runterkommen vorgemacht werden. Ich bediene mich da meistens spontan ausgedachter Stretching-Figuren, die für erwachsene Zuschauer wahrscheinlich bekloppter nicht aussehen könnten - aber es macht Eindruck. Los geht's mit tiefem Ein- und Ausatmen, dann wird sich mehrmals komplett nach oben gestreckt und wieder ganz klein gemacht (wobei ich zur Belustigung natürlich ab und an umfallen oder einen Hexenschuss bekommen muss), zwischendurch gibt man seinem Nachbarn eine Massage, gibt sich die Hand und sagt "Molo"... und zum Schluss wird sich ganz leise hingesetzt. Der magische Moment wird dann genutzt, um das Ganze auf ein Neues zu probieren.

Das war nur ein kleiner Ausschnitt meines Tagesgeschäftes in Noxolo. Was ich zwischendurch, draußen, beim und nach dem Essen, während der Schlafenszeit und außerhalb der Arbeitszeit so erledige, kann ich ja pro Eintrag step by step erzählen. ;)

Kommen wir zum Gardening, neuerdings immer freitags, im biodynamischen Garten des Centres. Biodynamik? Eine recht komplizierte Geschichte, die den Versuch beinhaltet, Landwirtschaft geisteswissenschaftlich zu betrachten. Astrologisch zum Beispiel, wenn manche Pflanzenarten nur zu bestimmten Mondständen und Planetenkonstellationen angebaut werden dürfen. Oder psychologisch, weil der Pflanze beim Wachsen von Ort über Form bis Fruchtbildung alle Freiheiten gelassen werden sollen.
Und vor allem ökologisch, weil der Garten sich kreislaufartig selbst versorgt: Beete werden nur mit Kompost aufgefüllt, der mit Pflanzenabfällen aus dem selben Garten hergestellt wurde. Mit dem Dünger verhält es sich gleich. Das klingt vielleicht alles ein bisschen komisch, aber es steckt ja erstens auch eine große Wissenschaft dahinter, die ich nicht studiert habe und zweitens: es funktioniert super! Im Centre-Garten wachsen Möhren, Salat, Spinat, Lauch, Rucola, Pilze, Kräuter, Gewürze, Blumen und vieles mehr in großer Vielfalt. Es gibt auch Bäume, deren Holz wir ebenfalls im Gardening z.B. zu Regalen oder Schränken verarbeiten.

Unter ihnen findet sich leider auch Paul Jackson, eine Baumart aus Australien, die wegen ihrer Dominanz zum Erzfeind der südafrikanischen Flora und deren Bewunderer geworden ist. "Stomp out the ALIENS!" ist auf Autoaufklebern zu lesen, nebst einer Abbildung des Paul Jackson-Baums. Er wächst blitzschnell und überall, ein echter Parasit. Im Centre-Garten muss er deshalb regelmäßig beseitigt werden. Momentan bin ich damit beschäftigt, auf dem Gelände Wege anzulegen, bzw. ehemals vorhandene Durchgänge wiederzubeleben. Innerhalb weniger Wochen haben wir dadurch einen monströsen Gras- und Unkrauthaufen zusammengeschaufelt, -geharkt und gerupft. Das kommt später alles in ein Loch und wird zu Kompost, mit dem ein neues Beet angelegt werden kann – seems logic. Was im Gardening hergestellt wird, kommt natürlich den Educares zugute, ist aber viieeeeel zu wenig, um sie regelmäßig zu versorgen. Es geht mehr darum, dass wir das Gardening-Knowhow in unseren Educares einsetzen können. Das Noxolo Educare hat einen großen Garten, für den ich bisher aber nur Müll aufsammle. Vielleicht ergibt sich da mal was...

Eine weitere Aufgabe habe ich mir mit der Mitarbeit im Sabantwana-Team geschaffen. Sabantwana ("für die Kinder") ist ein Spendenprojekt, das von uns Freiwilligen komplett selbst organisiert wird. Hat ein Freiwilliger eine Idee für ein Projekt in seinem Educare (Wand streichen, Ausflug machen, Rutsche bauen, etc.), kann er bei Sabantwana Geld beantragen. Alle Spenden, auch wenn z.B. Verwandte / Bekannte das Projekt unterstützen wollen, laufen über Sabantwana. Das ist nötig, damit es nicht so aussieht als käme das Geld von uns privat, was große Eifersucht unter den Principals und ein falsches Bild ("die Gönner") von uns Freiwilligen vermitteln würde. So steht hinter jedem Cent Sabantwana allein. Weil natürlich nicht alles von Spendern aus Deutschland finanziert werden soll, müssen wir auch selbst Fundraising betreiben um einen allgemeinen Geldtopf zu füllen.
Ich selbst habe dabei den Job, mich um Projektberichte zu kümmern, die immer angefertigt werden müssen, wenn etwas über Sabantwana läuft. Sie sind wichtiger Bestandteil der Öffentlichkeitsarbeit, besonders auf unserer Homepage (nicht wundern, wird erst demnächst wieder auf den aktuellen Stand gebracht). Ich sorge dafür, dass die Berichte pünktlich veröffentlicht werden, korrigiere ggf. Fehler, überprüfe die Bilderauswahl und layoute ein bisschen. Außerdem habe ich als Teil des kleinen Teams eine Stimme wenn es darum geht, Anträge anzunehmen oder abzulehnen. Ich war neugierig, wie so ein Spendenprojekt funktioniert und was da in Sachen Verwaltung, Finanzen & co. so abläuft. Von daher bin ich über die kleine, aufwandsarme Nebenbeschäftigung ganz froh. ;)


Was gibt es sonst so? Mittwochs findet jetzt endlich der Xhosa-Sprachkurs statt, immer nur eine Stunde. Erfolg setzt also viel Übung in der Freizeit voraus, was ich mir aber auch vorgenommen habe. Ich muss isiXhosa nicht grammatikalisch einwandfrei sprechen können - aber ich will kommunizieren können. Sagt man in Deutschland "ich gestern Bäcker laufen", weiß doch auch jeder was gemeint ist. Egal wie, die Xhosas finden es eh immer witzig, wenn ein Mlungu (Weißer) ihre Sprache spricht. Ab und zu passiert es mir, dass ich wie selbstverständlich auf Afrikaans angeredet werde. Die "Weißensprache" spreche ich aber noch weniger als isiXhosa - da sieht man mal, von welch außergewöhnlicher Seite man als Freiwilliger beginnt, das Land kennenzulernen.


Soo, das war jetzt 'ne Menge Holz, aber damit wären jetzt auch die meisten Bereiche im Groben vorgestellt, ihr seid im Bilde und ich kann mich in Zukunft mehr aufs Erzählen konzentrieren, sofern das bei der Affenhitze überhaupt möglich ist. (das hab ich jetzt extra für alle Eiszapfen-an-der-Nase-Habenden in Deutschland erwähnt. :D)

In diesem Sinne:
Grüße in die weite Welt, macht es gut wo ihr seid und bis bald!


Lukas
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Und jetzt: Bilder! (natürlich mit Einverständnis der Eltern)


 

  
Lecker, halbe Ziegenköpfe! :D

:)

Donnerstag, 3. Oktober 2013

Arbeit im Noxolo-Educare

Hey!

Meine ersten Tage als Freiwilliger im Noxolo Educare-Centre sind vorbei und ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Über jeden Arbeitstag könnte ich seitenweise berichten... aber versuchen wir's mal! Heute mit der Haupttätigkeit im Kindergarten.

Ndisebenza eGugulethu - ich arbeite in Gugulethu, einem der größeren Townships von Kapstadt. In Noxolo trifft man für gewöhnlich zwei Erzieherinnen, eine Köchin und eine Leiterin an, die sich täglich um 60 -70 Kinder (von 0.5 bis 6 Jahren), Material, Haus, Garten und Gelände kümmern.
Here we go: eine Verstärkung in Form von zwei weltwärts-Freiwilligen mischt den Kindergarten-Alltag mächtig auf. Als einzige Weiße weit und breit sind wir nicht nur DIE Schau im Slum, sondern für Kids vor allem die lustigen Entertainer mit hundertprozentiger Herzlichkeit, großem Kuschelfaktor und immer-guter Laune - gefeierte Helden. Obwohl wir ausschließlich mit "Teacher" gerufen werden und kein Wort Kleinkinder-Xhosa verstehen, kommen wir bei vielen auf emotionaler Ebene irgendwie wohl gleich nach den Eltern. Das macht die Sache aber auch nicht unbedingt leicht, schließlich darf bei so vielen Kindern keines benachteiligt oder bevorzugt werden, wozu man halt schnell mal neigt. Mit manchen kann man sich einfach stundenlang - auch durchaus sinnvoll - beschäftigen und andere wollen nichts außer Action in Endlosschleife, was auf Dauer auch mal nerven kann. Es gibt aber auch besondere Kandidaten, die beispielsweise nicht sprechen wollen, wenig lachen, totale Einzelgänger sind oder einfach ganz in ihrer eigenen Welt leben - für sie ist jeder Tag mit uns ein kleiner Fortschritt. Und diese vielen Typen machen die Arbeit auch sehr vielfältig und anspruchsvoll.
Lohn ist hauptsächlich die Freude aller Beteiligten, die allein schon durch unsere Anwesenheit entsteht. Außerdem spüre ich, wie hintergründig ein kleiner Impuls gesetzt wird. Die Erzieherinnen machen zwar ihren Job, sind bei den Kids aber eher wegen den Bestrafungen gefürchtet, das ist mein Eindruck. Immerhin gibt es keine Schläge - was in anderen Educares gar nicht so unüblich ist -, der Umgang erscheint mir dennoch etwas grob, gerade für eine Waldorf-orientierte Einrichtung. Hier findet indirekt sowas wie ein Austausch statt, indem wir z.B. lernen eine Gruppe eigenständig zu führen und die Erzieherinnen sich von uns ein paar "sanfte", alternative Methoden dafür abschauen.
Von der Ausstattung her sind die Innenräume sehr schön gestaltet und Spielzeug ist zwar knapp aber geradeso ausreichend vorhanden. Der Außenbereich wirkt dagegen ziemlich trist mit ein paar Reifen, die eingegraben oder lose über das Gelände verteilt sind, wenigen Holzstücken und einer Sandgrube. Der "Garten", um den ich mich unter anderem auch kümmere, besteht aus ein paar Büschen und Kakteen, die zumeist mit Abfall übersät sind. Der Müll wird nachts von Fußgängern einfach über den Zaun geworfen und muss am nächsten Tag von uns eingesammelt werden, bevor ihn noch irgendwer in den Mund nimmt. Draußen möchte ich sehr gerne eine Veränderung schaffen. Beispielsweise mit einem Baum, einer Schaukel, einer Rutsche, etwas Farbe an der Mauer, o.ä..
Man sieht: wenn man will, kann man sich neben den Kindern auch noch mit eigenen Ideen und deren Verwirklichung beschäftigen. Noch ist es allerdings zu früh und sind wir zu neu, um das mal wirklich auf den Plan zu bringen...

Derzeit konzentriere ich mich nur darauf, den Noxolo-Alltag irgendwie zu meistern und die Kommunikation zu verbessern, wozu vor allem das Lernen der Namen und besonders der Sprache notwendig ist. Außer überraschte bis entsetzte Blicke (und ab und zu mal einen Funken von Dialog) habe ich mit meinem Xhosa allerdings noch nicht viel erreicht. ;D Ich bin zuversichtlich, dass sich das mit der Zeit bessert, weil ndiyafunda - ich lerne!
Tägliche Abläufe wie das Servieren von Pap - geschmacksloser Maisbrei -, den Morgenkreis oder das Vorbereiten auf den Mittagsschlaf sind schon fast routiniert. Immer wieder abenteuerlich wird es dagegen beim Mittagessen, von dem wir Freiwillige meist eine Portion abbekommen. Ich habe tatsächlich schon aufgewärmtes Pap mit Schafsmagen gegessen! Das war zwar ein echter Kampf (wuäh!), aber im Nachhinein habe ich beschlossen, in Zukunft trotzdem keine Mahlzeit auszuschlagen. Wenn schon Dienst im Township, dann auch richtig!

Großes Kino!
Vom Fenster aus kann man die
wöchentlichen TV-Dreharbeiten
vor der Haustür beobachten.
Hier wird gerade eine Nachtszene
im Auto vorbereitet.

Oh man, es passiert jeden Tag vom Aufstehen bis zum Einschlafen einfach so viel, dass mir eine "Zusammenfassung" echt schwer fällt.
Ich kann nicht glauben, so viele Dinge in nur so kurzer Zeit erlebt zu haben!
Aber ich habe ja noch lang genug Zeit, über Details und kleine Stories zu schreiben. Das gilt auch für Fotos, die aus diversen Gründen leider nicht so einfach zu machen sind. Deshalb: habt Geduld! Oder schreibt mir einfach wieder. ;)









Bhutis und Sisis, für heute war's das mal wieder aus weit, weit, weit weg.

Liebe Grüße nach überall, bis bald!

Lukas