Mittwoch, 11. Dezember 2013

Off for holidays!

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2013. Was für ein Jahr! Für mich stellten sich so viele Weichen in den letzten 12 Monaten, ich habe so viele neue Erfahrungen und Erlebnisse gesammelt - gut, das kann man ja von jedem Jahr behaupten. Trotzdem war 2013 in vielerlei Hinsicht bedeutsam. Um nur mal das hierher passende Beispiel mit dem Freiwilligendienst zu nennen: vor knapp einem Jahr hatte ich noch nicht mal die Idee dazu oder eine Ahnung davon und noch vor rund 10 Monaten war das Orientierungsseminar bei den Freunden in Karlsruhe. Angesichts der vielen Ereignisse in der Zwischenzeit scheint es eine Ewigkeit her zu sein. Damals hatte ich als "Spätentschlossener" gar nicht wirklich daran geglaubt, ein halbes Jahr später die Koffer für weltwärts packen zu dürfen. Und jetzt ist es schon fast Mitte Dezember und mit jedem Morgen kam es mir selbstverständlicher vor, über 9000 Kilometer von zu Hause entfernt aufzuwachen - jetzt ist es schon Gewohnheit. Manchmal kann ich nicht glauben, dass die südafrikanische Sonne fast zeitgleich auch über Bayern aufgeht. So als gäbe es zwei Welten parallel, die aber nicht auf einem Planeten liegen. In dieser, meiner Welt vergeht die Zeit ja auch viel schneller. Es ist schon ein Viertel vorbei!
Vielleicht konzentriere ich mich auch so sehr auf meine Aufgaben, dass der Kalender nur noch eine unwichtige Erscheinung im Augenwinkel ist. Ich habe schließlich noch keinen einzigen Fehltag gesammelt und bin jeden Tag topfit und motiviert am Start - so weiterzumachen ist mein erklärtes, großes Ziel. Das gilt für die Arbeit, aber natürlich auch für die Freizeit: jedes Wochenende irgendwas unternehmen und im Tischtennis richtig am Ball bleiben, genau wie in Sachen isiXhosa-Sprachkurs! Dem haben viele schon den Rücken gekehrt, obwohl ich den Unterricht eigentlich immer ganz spannend finde. Ach, ich hab einfach an allem hier Spaß! :D
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Eher ruhiger waren die letzten Tage im Noxolo Educare. Während zu Monatsanfang immerhin noch um die zwanzig Kinder erschienen sind, kamen Richtung Ferienbeginn einmal sogar nur (die) sieben (Zwerge). Die Kleingruppen haben dafür ein ganz abwechslungsreiche Dezember-Spezialprogramm bekommen, wie zum Beispiel eines Vormittags einen Schnell-Tanzkurs, oder "Reise nach Jerusalem" bis der Arzt kommt. ;)
Die junge Noxolo-Tanzcrew...
... legt eine flotte Sohle aufs Parkett!

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Zum Schluss will ich noch DAS Ereignis der letzten Woche thematisieren, ich brauche es wahrscheinlich gar nicht mehr zu nennen:
Seit Freitag erlebe ich die südafrikanische Öffentlichkeit in einem ungewöhnlichen Zustand. Nelson Mandela, unser tata Madiba, ist am Abend zuvor gestorben. Die Regenbogennation lässt jetzt den Mann in Gedanken noch einmal so richtig lebendig werden, der sie zu dem verwandelt hat, was sie heute ist. Auf einmal ist die ruhmreiche Vergangenheit des Friedensnobelpreisträgers wieder in aller Munde - niemand denkt an den alten, kranken Mann, der nun gestorben ist, sondern an den Helden-Mandela von damals, der die Apartheid von der politischen Bildfläche verschwinden ließ. Am Dienstag habe ich den Film "Mandela - A Long Walk To Freedom" im Kino gesehen - wirklich ein Must-See!
Mit Mandela ist ein ganz Großer in der Geschichte der Menschheit gestorben. Südafrika trauert um und feiert zugleich das Leben seines ehemaligen Präsidenten. Heute findet im Cape Town Stadium eine große Gedenkfeier statt; aus den Fenstern der Metrorail in Stadtrichtung winkten unzählige Flaggen.
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So, das war's jetzt aber endgültig mit Bloggen für dieses Jahr! Alle Pflichten sind erfüllt, morgen geht es ab in den großen Sommerurlaub! :)
Ich wünsche euch, meinen lieben Lesern, schon jetzt ganz frohe Weihnachten, ggf. eine bombige Silvesterparty und natürlich einen guten Rutsch ins neue Jahr 2014!

Haut schön rein und bis bald!

Lukas

Sonntag, 1. Dezember 2013

Kushushu!



Hallihallo an diesem wunscherschönen ersten Advent!


Diesen Eintrag möchte ich gerne einmal damit beginnen, mich bei euch, meinen treuen Lesern, für all das liebe Feedback zu bedanken. Ich bekomme ja nicht nur furchtbar gerne Post, sondern ich finde es auch verrückt, dass mein Blog und die Rundmails auf so viel Interesse und Gefallen stoßen. Ich bin eigentlich auch zu sehr der Typ "Autor" statt "Blogger" und könnte jedesmal noch seitenweise berichten, was manchen scheinbar ganz gut gefallen würde. Aber ich will's ja auch nicht übertreiben. Obwohl - heute vielleicht schon. Adventskerzen angezündet und Lesebrillen aufgesetzt: hier kommt der letzte Roman, bevor es bald in den Urlaub geht! ;)

Also, wo beginnen wir? Am Besten ganz unten, so wie bei meiner Erstbesteigung des Tafelbergs vor einer Woche. Wer sich den Wetterbericht für diesen Tag noch einmal anschaut, wird sich schon beim Anblick der Zahlen schweißgebadet irgendwo abstützen müssen. In aller Herrgottsfrühe konnte mich davor nur die Sunblocker-Crème bewahren, in die ich quasi gekleidet war. Kushushu! ("Es ist heiß!") Dass ich "vorsichtshalber" lange Klamotten im Rucksack hatte, musste ich mir darum auch den ganzen Tag lang noch zum Vorwurf machen - es war gelinde gesagt einfach... infernalisch heiß! Der Aufstieg begann am Fuß der Südost-Seite des Tafelbergs, im botanischen Garten von Kirstenbosch.
Die Exotik fand ich dabei nicht nur in der Pflanzenwelt, sondern nach der ersten halben Stunde auch am "Skeleton Gorge", dem Pfad unserer Wahl. Mit meinen ausgelatschten Kindergarten-Tretern hab ich ja schon nicht schlecht gestaunt, angesichts des Wasserfalls, den man laut Schild auf einmal mit "ropes and ladders" (Seile und Leitern) hinaufklettern sollte. Das Ganze stellte sich im Nachhinein allerdings als relativ harmlos heraus. Das Wasser war eher eine sehr willkommene Erfrischung, um dem brutalen tata ulanga („Vater Sonne“) zu trotzen. Danach war die Baumgrenze allerdings auch schon überwunden, sodass ich mich fortan auf meinen Strohhut als einzigen Schutz verlassen musste.
Unser Ziel war zunächst Maclair's Beacon, der höchste Punkt des Tafelberg-Massivs. Gute dreieinhalb Stunden wurden für den Weg insgesamt benötigt. Einerseits war es zwar purer Wahnsinn, in der gnadenlosen Mittagshitze wie ein verirrter Wüstenwanderer die endlosen Steintreppen hinaufzusteigen - andererseits hat die Aussicht mit jedem Schritt dafür entschädigt. Die Sicht war so klar, dass ich bestimmt bis nach Südamerika hätte blicken können, wäre die Erde keine Kugel. Der gewundene Pfad eröffnete auch immer neue Perspektiven: 360° Dauer-Panorama bei nahezu uneingeschränkter Sicht!
Blick auf die False Bay
Der Beacon erschien mir dagegen nicht besonders spektakulär. Das Plateau, das sich rings um den mit einem Steinhaufen markierten höchsten Punkt befindet, und der Devil's Peak versperrten die Sicht auf Kapstadt und auch sonst gab es nicht viel zu entdecken. Also wurde beschlossen, lieber zeitig den Weg in Richtung Seilbahnstation im Westen einzuschlagen.
Die Entscheidung war goldrichtig: eine wunderschöne Route führte direkt am Abgrund in Stadt-Richtung entlang. Die Belohnung für den halsbrecherischen Aufstieg war mit keiner Kamera der Welt festzuhalten! Zentimeter vor den eigenen Füßen erstreckte sich die GANZE Tafelbucht in ihrer vollen Schönheit. Selbst der Signal Hill, von dem ich ja schon einen wunderbaren Ausblick hatte, war von dort oben gesehen nicht mehr als ein weiteres schönes Detail im Gesamtbild. Nur dort stehend käme man niemals auf die Idee, wie hässlich das Leben tausend Meter weiter unten sein kann.
Nachdem diese Aussicht etliche Male auf verschiedenen Felsvorsprüngen für atemberaubend erklärt wurde, gaben wir uns zum Abschluss noch die, wie ich finde, schlimmste Ecke des Table Mountain - die Bergstation des Lifts. Dass auf "unserem" Tafelberg, der uns im Alltag auf Schritt und Tritt am Horizont begleitet, so eine Massenabfertigung stattfindet, hätte ich nicht gedacht. Statt auf Leitern und Wasserfälle wurde hier höchstens auf "unebene Stufen" an den Treppen hingewiesen und die Betreiber verschleuderten Hot-Dogs und Souvenirs zu unverschämten Preisen an Lift-Touristen in Freizeit-Kleidung. Außerdem gefiel mir die große Anzahl an Menschen dort oben nicht, unter denen wir wie Indiana Jones mit Gefährten ausgesehen haben mussten. Also machten wir uns an den, im Vergleich zum Aufstieg nicht minder schlauchenden, Abstieg. Zahllose Felsstufen führten uns in zweieinhalb schweißtreibenden Stunden hinab zur Talstation.
Es war ein wirklich abgefahrener Tag, der unglaublich Spaß gemacht hat - und von dem ich noch lange vor allem eines hatte: Muskelkater.



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Ähnlich anstrengend war das Gardening in letzter Zeit. Im Centre-Garten hat sich seit unserer Ankunft sehr viel getan: Beete wurden neu angelegt und Verschiedenes eingepflanzt und geerntet. Eine Zeit lang verkauften wir sogar riesige Salatköpfe, die uns in einem Beet gelungen waren.
Meine Aufgaben beschränken sich momentan aber mehr auf die sogenannten "Männer-Jobs": mit der Schubkarre wichtig-aussehend über das Geländer scheppern, auf Komposthäufen herumhüpfen bis auch die letzte Stoffaser der Schuhe eingesaut ist, und vor allem Schaufeln, Schaufeln, Schaufeln. Ein bisher unbearbeiteter, wild bewachsener Bereich im hinteren Teil des Gartens wurde so z.B. innerhalb weniger Stunden zum Ort der Bestimmung für fünf Zirkel-Beete verwandelt. Die kreisrunden Gräben können später in Sektoren unterteilt werden, die nach jeder Ernte anders bepflanzt werden - damit dem Boden nicht "langweilig" wird und man durchgehenden Ertrag erhält. Die ausgeschaufelte Bodenmasse wurde dann dazu verwendet, das Gelände anderswo zu begradigen, sodass dort auch schon bald Beete gegraben und angelegt werden können.
Wenn sonst mal nichts zu tun ist, wird meistens Unkraut gerupft. In einem Garten, in dem keine Chemikalien dagegen eingesetzt werden, ist das nun mal von großer Bedeutung. Vor allem, weil alle kahlgerupften Stellen binnen einer Woche einfach wieder überwuchert sind.

Kommen wir endlich wieder nach Guguletu, wo es schon vergangenen Freitag eine vorweihnachtliche Bescherung gab. Das südafrikanische Projekt "Santa's Shoebox" ließ dem Noxolo Educare nämlich Geschenkspenden zukommen. In bunt verpackten Schuhkartons haben die Spender des Projekts jeweils Kleidung, Waschzeug, Schulsachen, ein Spielzeug und eine Süßigkeit gelegt, allein mit einem Hinweis beschriftet, welchem Alter und Geschlecht der Inhalt gerecht sein würde. Sogar Weihnachtsbäume standen in jeder Klasse, unter denen wir je einen Geschenkeberg abladen durften.
Die leuchtenden Augen der Kinder, die dann nach und nach eintrudelten, sprachen für sich. Schier unbändige Freude, gemischt mit großem Staunen und einer gewissen Portion Ehrfurcht - die Gesichter werde ich wohl nie vergessen... Mehrere hundert Euro gibt der Deutsche im Durchschnitt für die Weihnachtsüberraschungen seiner Nächsten aus; wie krass mir das auf einmal vorkommt!
Der Tagesablauf gestaltete sich ansonsten wie üblich, ans Aufmachen durften sich die Kids nämlich erst zu Hause machen. Da natürlich nicht in jeder Box das Gleiche enthalten sein kann, will man Neid unter den Kindern - und auch unter den Eltern! - unbedingt vermeiden.

Das eigentliche jüngste Highlight war für mich aber natürlich das Graduation Event, quasi die Abschlussfeier meiner Klasse. Einen Monat im Voraus hatten wir schon damit begonnen, eine kleine Show mit den Vorschülern einzustudieren. Die Vorfreude verflog allerdings leider, als wir von dem Veranstaltungsort erfuhren, bei dessen Auswahl sich unsere Principal (unserer Meinung nach) wohl gehörig vergriffen hatte. Das Ganze musste in einem guten Hotel in Sea Point stattfinden, einem der normalerweise wohlhabenderen Viertel Kapstadts und unweit der luxuriösen Waterfront. Was die Noxolo-Chefin dazu gebracht hat, eine Township-Kindergartenklasse in diese "Komplementär-Welt" zu entführen und dort deren Graduation zu feiern, muss noch ergründet werden.

Dadurch wurde das Event nämlich auch zu einer kostspieligen Angelegenheit, sodass trotz einiger aquirierter Spendengelder noch etliche Kosten bei den Familien hängen blieben. Natürlich gaben auch die Eltern aus Guguletu für diesen einen, besonderen Tag so viel aus wie sie es konnten – aber diese Location konnten sich manche verständlicherweise dann doch nicht leisten. Wegen dieser Angelegenheit wird es wohl noch einigen Diskussionsbedarf geben. Den hatten dann nämlich auch die Hotelbediensteten im Umgang mit ihren Gästen. Binnen weniger Minuten hatten die Mädchen den automatischen Handtrockner auf der Frauentoilette außer Gefecht gesetzt; eine Gruppe von Vätern blockierte - unentschlossen, welcher Knopf als nächstes zu drücken sei - für einige Zeit den Fahrstuhl und das Besteck am Snack-Buffet wurde nicht angerührt, denn natürlich isst man mit den Händen! Ich habe mich dem Ganzen einfach angeschlossen, selbst nicht wenig entsetzt von den Welten, die hier aufeinander prallten.

Gesang
Die neueste Bademode
Das alles hat dann leider einen gewissen Schatten über die eigentlich sehr schöne Feier geworfen. Es wurde unglaublich viel gesungen und auch gebetet, vor allem zwischen den Show-Einlagen meiner Vorschüler. Die setzten sich aus einem gemeinsamen Lied und Tanz, jeweils einem Tanz der Mädchen und der Jungen, einer kleinen „Modenschau“ und letztendlich der Urkundenverleihung zusammen.
endlich geschafft!
Letzter Teil hatte uns Teachern in den letzten Wochen die meisten Nerven geraubt: jedes Kind sollte sich zuvor auf Englisch mit Namen, Wohnort und einem Noxolo-Schlachtruf vorstellen. Letztendlich ist aber alles sehr schön gelungen. Als es an die Urkunden ging, wurden die Kids auch jedes Mal gefragt, was ihnen am Educare denn so am besten gefallen habe. Tatsächlich hat eine Mehrzahl mit „Tishala“, / „Teacher“ - und einige sogar mit „Lukas“ geantwortet!! Darauf war ich besonders stolz, weil ich das so niemals erwartet hätte. Folglich war ich auch bei vielen Eltern, von denen mich manche nie zuvor gesehen hatten, plötzlich sehr angesehen. Zum Glück erfuhr ich auch rechtzeitig davon, dass ich meine Klasse noch bis zu den Ferien behalten würde – so fiel das Byebye nicht ganz so schwer, auch wenn es in ein paar Tagen wohl schon so weit sein wird.
Die Veranstaltung im Nachhinein zu bewerten, fällt mir sehr schwer. Einerseits finde ich es sehr traurig, dass eine Fehlentscheidung es für manche schon unmöglich gemacht hatte, bei diesem schönen Fest dabei zu sein. Dies ist, nach dem was ich so mitbekommen habe, aber auch das erste Mal so der Fall gewesen und – zu dieser Einsicht werden es diese Erfahrung und einige Gespräche früher oder später kommen lassen – es wird wohl auch nie mehr in dieser Art und Weise stattfinden. Andererseits war die Graduation von Organisation und Unterhaltungswert her schon ein voller Erfolg und es wird wohl auch einer der ganz großen Tage sein, die ich später für immer mit meinem Kindergarten in Verbindung bringen werde. Fast ein Viertel-Jahr habe ich mit diesen Kids gearbeitet und habe schon in dieser Zeit jede Menge Entwicklung beobachten können. Umso gespannter bin ich jetzt auf meine neue Klasse, die ich nach den Ferien im Januar übernehmen werde. Da wird es dann von Null los gehen, auf dem Weg zur Hundert, der nächsten Graduation im November!




Soooooo, das war's mal wieder für heute. Ich denke, ich bin meinen Ansprüchen diesmal von der Menge her gerecht geworden. :D
Dafür gibt es jetzt ja auch länger nichts Großartiges mehr zu lesen, denn in einer Woche sind die Taschen für den Urlaub schon so gut wie gepackt und ich bin einen Monat lang auf Achse, wortwörtlich. Darauf freue ich mich ja auch schon unglaublich!

Von diesem Abenteuer hört ihr dann wahrscheinlich erst im Januar. IM JANUAR! 2014! Wie das klingt!? Da ist ja schon ein Drittel meines Auslandsjahrs vorbei! Na gut, das dauert ja jetzt noch etwas - glaube ich. Trotzdem!

Wie auch immer: macht es gut oder besser wo auch immer ihr seid!

Salani kakuhle und bis bald!

Lukas

Montag, 18. November 2013

Morgenstund' hat Pap im Mund

Molweni und hallo, liebe weltwärts-Fangemeinde.

Ich bin nach wie vor bester Dinge und hochzufrieden mit dem bisherigen Verlauf und dem aktuellen Stand meines Auslandsjahres. Und nicht nur das, für die nähere Zukunft habe ich auch schon allen Grund zur Vorfreude. Bleiben wir aber zunächst mal in der Gegenwart:

Wie ihr euch vielleicht erinnert, habe ich euch doch vor rund einem Monat noch von meinen Problemen in der Klasse berichtet, was das autoritäre Auftreten und zwischenzeitliche Chaoswellen angeht. Nunja, ich kann nicht behaupten, ich hätte riesige Fortschritte gemacht - in meinen Augen bin ich aber schon mehr als einen Meilenstein weitergekommen.
Eine Besonderheit von Waldorfkindergärten ist das spezielle Augenmerk, dass auf den Rhythmus, bzw. Regelmäßigkeiten im Tages- und Wochenablauf gelegt wird. Die Begrüßung, das Pap-Frühstück, der Morgenkreis, Lieder und Gedichte... all diese Dinge gleichen schon fast Ritualen und bringen eine feste Struktur in den Kindergarten-Alltag, an die sich die Kinder gewöhnen und mit der sie sich wohlfühlen können. Ein solcher Ablaufplan ist auch im Noxolo Educare Centre genaustens auf einem Plakat mit Uhrzeiten festgeschrieben. In der Praxis wurde er aber wohl schon in hundert verschiedenen Varianten umgesetzt, die bis hin zur Nichtbeachtung reichten. Dabei trifft die Mamas und mich eigentlich keine Schuld, denn dieser Fahrplan ist ganz offensichtlich nicht für diese große Anzahl von Kindern und das südafrikanische Wetter gemacht worden.
Klar, in der Theorie sollte man meinen, eine Pfütze Maisbrei zu essen wäre eine Sache von höchstens zwanzig Minuten. Diese Zeit brauchen wir aber schon allein, um etliche Male mit vollbeladenen Tabletts von der Küche über die ganze Terasse bis in die Räume zu gelangen - geschweige denn, um die "Ich will aber den blauen Teller"-Streithähne mit extra-stark leuchtendem Rosa auszustatten. Zur weiteren Verzögerung können dann noch eine Handvoll Unfälle mit umgekippten Tellern, extrem unterhaltungslustige Kolleginnen am Schöpflöffel und das obligatorische, unfreiwillig in Pap geduschte Kind hinzukommen - und schon haben wir allein 40 Minuten auf das Frühstück verwendet. Jedenfalls, wenn nicht gerade wieder ein kapstädter Überraschungs-Monsun über Guguletu hereinbricht. Das Wetter spinnt ab und zu total.
Was den Morning Ring (Morgenkreis) angeht, habe ich die Vermutung, dass da bisher irgendwie wenig Engagement reingesteckt wurde. Ich bin mittlerweile allermeistens alleine in der Klasse, doch hab ich es schon ein paar Mal erlebt, wie den Kindern direkt nach dem Essen z.B. die Malsachen hingelegt wurden. Die Sache ist die, dass ein Teil der Kinder erst während der Essenszeit im Educare ankommt, weil sie entweder den "Luxus" genießen, zu Hause frühstücken zu können, oder weil die Eltern erst dann ihrem Tagesgeschäft nachgehen und auf dem Weg ihren Nachwuchs in unsere Obhut geben. Nach dem Essen ist die Gruppe also erst vollständig - ich finde, der gemeinsame Start in den Tag per Morning Ring ist dann unerlässlich.
Morgenkreis - das hört sich so einfach an. Wie bereits vor einem Monat geschildert, kann das Ganze schon allein am Versuch scheitern, einen Kreis zu bilden. Zum diesem Zeitpunkt darf ich nun mit Stolz behaupten, den Morning Ring jetzt schon eine Woche lang total souverän und erfolgreich geleitet zu haben. Es beginnt mit wilden Gesten, die auf alle möglichen Arten einen Kreis beschreiben, während ich immer wieder "Circle, Cirlce, Circle!" rufe und dabei auf die freie Fläche im Raum deute. Das Geschrei geht los, jeder schnappt sich einen Stuhl, rammt seinem Nächsten beim Wegtragen womöglich noch die Lehne in die Rippen und bringt sich dann lebhaft in die "Wer sitzt neben wem"-Diskussion ein. Meine alte Freundin, die Bongo, sorgt wiederum für gespanntes Schweigen.
Vorschule rockt!
Ich eröffne mit "Molweni abantwana!" (Hallo, Kinder) und werde mit "Molo, Teacher!" (Hallo, Lehrer) gegengegrüßt. Das einzustudieren war allein schon harte Arbeit. Dann wünsche ich uns allen einen schönen Tag und gebe Kreisspiele und Lieder aus meinem aber eher noch bescheidenen Repertoire zum Besten. Ab und zu habe ich auch eine kreative Eingebung. So habe z.B. ich aus Versehen den Refrain von "We Will Rock You" (Queen) zur neuen Klassenhymne gemacht; bumm bumm clap ist einfach DER Beat. "Wiwo, wiwo RACK JU!" schallt es manchmal auch abholenden Eltern entgegen. Das haben sie von mir, denke ich mir dann immer. ;-D

Ich habe anfangs von guten Aussichten für die kommenden Wochen gesprochen und auch darin gebe ich euch natürlich einen kleinen Einblick.
Am 30. November findet das Graduation Event, also die Einschulungsfeier meiner Vorschüler statt. Für die Veranstaltung ist eine kleine Show geplant, für die wir gerade eifrig diverse Tänze und Lieder einstudieren. Hierbei werde ich immer unterstützt, denn so weit reichen meine isiXhosa-Kenntnisse noch nicht aus, dass ich die Liedtexte und die passenden Anweisungen für die Tänze dazu auf die Reihe bekommen würde. Ich weiß noch nicht, welche Aufgabe ich bis zum Urlaub dann bekomme, aber ich weiß, dass ich meine Vorschüler jetzt schon ein wenig vermisse. Auch wenn ich sie erst verhältnismäßig kurz hatte, gibt es schon die ein oder anderen Kids, die ich sehr schätzen gelernt habe - und allgemein war es auch einfach eine nette Klasse. Trotzdem freue ich mich auf das Event und bin gespannt, welche Gruppe mich dann nach den Ferien im Januar erwartet.

Apopros Ferien, darin besteht der zweite Teil meiner Vorfreude. Ein vierwöchiger Roadtrip durch Südafrika, Lesotho, Swaziland, Mozambique und vielleicht Botswana steht mir bevor - also höchstwahrscheinlich ein recht abenteuerlicher Urlaub, oder: ganz nach meinem Geschmack. Eine kurze Unterbrechung der Reise wird mich dann über Weihnachten für ein paar Tage zurück nach Kapstadt führen, wo ich mit meiner Familie unterwegs sein werde, die dann dort Urlaub macht.
Ausblick auf die Bucht von Simon's Town
Auf diese Auszeit mitten im höchsten Hochsommer freue ich mich natürlich auch schon so richtig und es macht schon allein Spaß, die ganzen Vorbereitungen zu treffen! Ich werde euch dann natürlich auch ausführlichst von meinen Ferienerlebnissen erzählen. ;-)



Bis dahin liegen nur noch wenige Wochen fleißiger Arbeit vor mir und falls ich nicht vorher von der Sonne zu einem heißen Haufen Asche verwandelt werde, werde ich natürlich auch bis zum Schluss voll dabei bleiben. Also ganz anders als noch zu Schulzeiten, wenn es auf die Ferien zuging. ;-D

Ich hoffe, ihr seid auch wohlauf und sende euch in alle Himmelsrichtungen strahlend-sonnige Grüße aus Muizenberg!

Wie immmer: Bis bald!

Lukas

Freitag, 8. November 2013

Viel Frühlings-Action

Hi Leute,

hiermit erweise ich auch dem November die Ehre, in meiner Blog-Chronik aufzutauchen. November! Schon! Oder: erst? Keine Ahnung. Meine neue Umgebung ist mir mittlerweile schon so vertraut, dass der Alltag die Tage wie ein Weltmeister vom Kalender reist. Und jeder einzelne davon besteht nach wie vor aus 24 Stunden Erlebnis pur, was vielleicht schwer vorstellbar, aber Tatsache ist. Die ein oder anderen Ereignisse stechen natürlich besonders heraus. Heute beginne ich mal abseits vom Projekt.

Der Bluebird-Market findet jeden Freitag in der Bluebird-Garage Muizenberg statt und platzt jede Woche wieder aus allen Nähten - vor Leuten und Waren gleichermaßen. An einem Bücherstand sind meine Augen am Titel "Hiking in Cape Town" hängengeblieben und haben im Index das Kapitel "Muizenberg Cave" entdeckt. Der Text hat nicht weiter interessiert, nachdem die ersten Zeilen schon von einer Höhle irgendwo in den Bergen erzählten. Allein die Karte daneben wurde mit einer Handykamera abgelichtet und es stand fest: da müssen wir hin!

Ein Blick aus dem Fenster am Wandertag verriet: oha, Nebel. Nach einigem Hin und Her sind wir dann aber trotzdem losgezogen, Alex, Nils und ich. Kaum hatten wir die ersten Höhenmeter hinter uns gelassen, waren wir nicht nur klatschnass von der Wolke, in der wir uns von da an befanden, sondern hatten auch noch gerade mal zehn Meter Sicht. Weil es aber trotzdem warm war und wir am Fuße des Berges eine detailliertere Karte auf einem Schild gefunden hatten, sind wir motiviert weitergegangen. Erst über den Gipfel des St James Peak, dann über ein riesiges Plateau. So muss es jedenfalls laut der Karte gewesen sein, in Wirklichkeit hatten wir ja nicht den Hauch einer Ahnung, wo wir uns eigentlich gerade befanden, abgesehen von den sechs Quadratmetern um uns herum. 
Gipfel des St James Peak
So wurden aus der Stunde, die auf dem Schild als Laufzeit angegeben war, gute drei Stunden des Herumirrens im Irgendwo. Ich hatte dabei (zugegebenermaßen) ständig behauptet, jetzt endgültig den richtigen Weg gefunden zu haben, nur um mich nach ein paar Kilometern Marsch wieder dagegen zu entscheiden; wurde dann aber von der Besatzung dreier Bergwacht-Jeeps (Stunden später) eines Besseren belehrt. Der Ranger am Steuer hatte sichtlich Spaß an uns drei Witzbolden, die an der richtigen Abbiegung eigentlich schon fünfmal vorbeigestiefelt sind. Den Job als Navigator hab ich an den Nagel hängen dürfen, aber wenigstens wussten wir jetzt, wo die Höhle war - und die Suche hat sich gelohnt! Minuten später standen wir schon vor der gewaltigen Öffnung der Muizenberg Cave, in der wir später auf allen Vieren irgendwelche engen Tunnel rauf- und runtergerobbt sind, bewaffnet einzig und allein mit einer Minifunzel von Taschenlampe und zwei dreckigen Nokia-Displays zur Beleuchtung.
Die Klamotten waren das Nächste, was wir den Nagel hängen konnten, aber dafür hatten wir unseren Spaß. Beim Aufstieg waren uns noch drei alte Leute mit Hund begegnet, im Begriff umzudrehen, die uns von unzähligen Caves in den Bergen bei Kalk Bay erzählt hatten. Denen wollen wir jetzt natürlich auch mal einen Besuch abstatten, vielleicht aber dann bei Wetterverhältnissen, die auch ein Foto auf fünf Meter Distanz zulassen. ;D

Wer sich an die Fußball-WM 2010 in Südafrika erinnert, vermisst bei aktuellen TV-Übertragungen vielleicht auch noch den alles-übertönenden Bienenstock-Sound der Vuvuzelas. Wie sowas Stimmung machen kann, war mir damals ein Rätsel - jetzt hängt eine der Tröten in meinem Zimmer. Wie's kommt?
Ajax Cape Town ist momentan der einzige Erstliga-Fußballclub hier im Western Cape und als "Fahrstuhl"-Mannschaft eigentlich ständiger Außenseiter. Diese Saison mischt Ajax wieder in der PSL mit und empfing vergangenen Dienstag die legendären Kaizer Chiefs aus Johannesburg, neben den Orlando Pirates der eigentlich einzige namhafte Club in Südafrika. Zu diesem Anlass ließ man im Cape Town Stadium, der einstigen WM-Spielstätte den Ball rollen. Tickets für die Spiele gibts in jedem Supermarkt für umgerechnet gute 5€. (FÜNF EURO! In einem 80.000er-Stadion! Daran könnten sich die Bundesliga-Stadionbetreiber mal ein Beispiel nehmen!). Da waren wir Centre-Freiwillige natürlich nicht weit. Wir erlebten ein bis zum Ende spannendes und überraschenderweise ausgeglichenes Spiel, das mit der Sensation endete: in der Schlussphase fiel tatsächlich das 1-0 Siegtor für Kapstadt!

Die Gäste-Fans, die im Stadion deutlich in der Überzahl waren (kaum jemand ist NICHT Chiefs- oder Pirates-Fan), waren plötzlich still - damit hätte keiner gerechnet. Trotzdem war die Stimmung von der ersten bis zur letzten Minute da und manche Blocks waren quasi nur dazu da, um zur Tanzfläche umfunktioniert zu werden. Am nächsten Morgen galten die Schlagzeilen nur noch dem kapstädter Sieg im David-gegen-Goliath-Match. Es war insgesamt ein sehr aufregender Abend und ich war bestimmt nicht das letzte Mal bei einem Ajax-Spiel!

Was wir alles in unserer Freizeit erleben, verdienen wir uns unter der Woche natürlich hart in den Townships.
Stellt euch bitte mal 320 Fußmatten-artige Teppiche vor, die aneinandergereiht eine große Teppich-Fläche ergeben. Fertig? Okay, so sieht unsere Terasse im Educare aus. Jedenfalls VOR der Outdoor-Playtime. Danach kommt es einem vor, als hätte jemand versucht, den überdachten Bereich mit einer LKW-Ladung Sand zu verdecken - ernsthaft: Kinder sind manchmal richtige Dreckspatzen. Warum nicht einfach den Sandkasten auf die Terasse verlegen, dann ist es nicht so weit zur Toilette? Naja, jedenfalls kann die tägliche Halbwüste vor der Haustür nicht bleiben und muss stets beseitigt werden. Geputzt wird, wenn die Kinder schlafen. Das Ganze teilt sich in den Abwasch vom Mittagessen, Wischen in den Toiletten und eben der Teppichreinigung draußen auf. Ich übernehme meistens letztere Aufgabe, was mittlerweile aber irgendwie als selbstverständlich angenommen wird.
Im Vordergrund kann man einen kleinen Teil der
Teppich-Terrasse sehen, frisch ausgeschüttelt.
Nun ist es ja so, dass hier gerade der Sommer kommt und die Kinder immer mittags (!) schlafen. Deshalb verbringe ich halt die heißesten Stunden am Tag damit, hunderte Teppiche einzeln aufzuheben, zu schütteln und wieder an ihren rechten Platz zu legen. Das ist einigermaßen anstrengend, aber ich beklage mich keinesfalls. Nach so viel Action am Vormittag ist es eigentlich immer genau das Richtige, um sich seinen "Feierabend" verdient zu machen und sonderlich viel denken muss man dabei auch nicht.
Konzentration ist viel mehr in meinem neuen Job als Masseur gefragt. Ein fünfteiliger, wöchentlicher Workshop hat uns Freiwillige dazu ausgebildet, Kinder (im Speziellen) zu massieren. Das Ganze beruht auf der Idee, verhaltensauffälligen Kids durch Berührung neue Möglichkeiten zur Entfaltung zu geben. Gut, das hört sich jetzt ein wenig esotherisch an, Berührung ist aber eigentlich elementarer Bestandteil der normalen kindlichen Entwicklung. Viele Kinder im Township erfahren in ihren Familien zu wenig bis gar keine "guten" Berührungen wie z.B. Streicheln, Tätscheln, etc., aus welchen Gründen auch immer. Denkt man mal an seine eigene Kindheit zurück, bemerkt man vielleicht, was für einen großen Teil das bspw. in der Beziehung zu seinen Eltern oder wem auch immer ausmacht. Manche Kinder werden stattdessen einfach mit Spielzeugen überhäuft und dadurch oft zu egoistischen, gemeinen und gewalttätigen Wesen. Mit wiederum Anderen passiert einfach gar nichts, was sich in einer apathischen Körpersprache zeigen kann, d.h. ein Kind starrt einfach nur in die Luft, lacht und spricht nicht und hat folglich auch keinerlei Verbindung zu den anderen Kindern. Genau kann man die Ursache nie bestimmen, es könnte sich jeweils auch um ein Trauma oder Ähnliches handeln. Die Massage kann da tatsächlich eine wegweisende Therapie für solche Kinder sein. Ein extrem hyperaktiver Junge und gleichzeitig die größte Heulsuse in Noxolo wirkt danach z.B. immer wie ausgewechselt und spielt total friedlich mit den anderen. Nur regelmäßige Behandlungen können langfristig was bewirken.
Bei der Massage selbst geht es nicht ums Drücken und Kneten, sondern viel mehr ums Streichen und die Wärmeabgabe dabei. Je nach Technik kann man über die Blutzirkulation beruhigend oder "aktivierend" auf das Kind einwirken. Das alles muss in einem abgesonderten, stillen Raum stattfinden und es wird teilweise mit Öl gearbeitet. Über jede Vorher- / Nachher-Beobachtung führe ich genau Protokoll, was später Studien zum Thema Heilpädagogik und Baby- / Kindermassage dienen soll.

Die Massage-Aufgabe beschert mir noch zusätzliche Abwechslung im generell schon bunten Kindergarten-Alltag. Und wenn man sieht, was man durch so wenig Aufwand schon bewirken kann - es macht die Kinderwelt eine Zeit lang gewissermaßen "heile" -, ist man auch immer mit voller Motivation bei der Sache. ;)


So viel mal für heute. Ich hab natürlich noch einige Stories auf Lager, die ich aber bei anderer Gelegenheit mal mit euch teile.
Zum Beispiel die über meine Erfahrungen mit südafrikanischem Tischtennis. Da gehe ich jetzt nämlich hin, ins Training.

Also, haut rein und schreibt mir wie immer gerne, egal was es ist. ;-)

Bis bald!

euer Lukas

Donnerstag, 17. Oktober 2013

"Erzähl doch mal..." und BILDER

Heyho!

Mein Kalender verrät mir, dass der erste Monat im Regenbogenland schon vorbei ist. Zeit, mal wieder ein bisschen was zu berichten!

Ich beginne im Projekt, im Noxolo Educare. Mittlerweile habe ich eine eigene Klasse, die sich größtenteils aus Vorschülern zusammensetzt. Das hat den Vorteil, dass man den Kindern auch schon ein bisschen was beibringen kann, soweit man es fertig kriegt, es mit Händen und Füßen zu erklären. Englisch wird zwar auch gelernt, aber praktisch nicht verstanden oder angewendet. Und mein isiXhosa beschränkt sich immer noch auf die grundlegendsten Ausdrücke. Immerhin kenne ich jetzt alle Namen in meiner Klasse, nachdem eine "Writing"-Übung daraus bestand, seinen eigenen Namen von einem Streifen Papier abzuschreiben und ich jedem mal helfen musste. Andere Einheiten drehen sich ums Malen, Singen, Tanzen, oder Sport. Hört sich gut organisiert an, ist es aber überhaupt nicht. Wenn ich Übungen, wie meistens, alleine anleite, geht es mangels Xhosa-Sprachkenntnisse manchmal schief.
Beispiel: alle Kinder machen einen Kreis, nur eines weiß nicht was passiert. Ein anderes spielt Sheriff und zerrt das eine Kind an der Kapuze rückwärts in die Reihe. Dort angekommen geht das Geschubse los, weil an der Kapuze gezogen zu werden ja nicht gerade nett ist. Ein anderer Sheriff aus der gegenüberliegenden Ecke mischt sich mit einem saftigen Tritt in den Hintern ein, woraufhin sich zehn andere Kinder plötzlich zu Sheriffs berufen fühlen und dem neuen schwarzen Schaf nachsetzen, das mittlerweile hinter mein Bein geflohen ist. Während der ganzen Prozedur langweilt sich der friedliche Teil der Gruppe und beschäftigt sich damit, sich irgendwas über 10 Meter Distanz zuzubrüllen oder im Raum ne Runde Joggen zu gehen. Bumm, Chaos! 
In solchen Fällen ist Improvisation gefragt. Zwei Schläge auf die Bongo und ein paar Befehle auf Anfänger-Xhosa reichen meistens aus, um für den Bruchteil einer Sekunde die gesamte Aufmerksamkeit der Gruppe zu bekommen. Dann muss ganz schnell irgendeine Übung zum Runterkommen vorgemacht werden. Ich bediene mich da meistens spontan ausgedachter Stretching-Figuren, die für erwachsene Zuschauer wahrscheinlich bekloppter nicht aussehen könnten - aber es macht Eindruck. Los geht's mit tiefem Ein- und Ausatmen, dann wird sich mehrmals komplett nach oben gestreckt und wieder ganz klein gemacht (wobei ich zur Belustigung natürlich ab und an umfallen oder einen Hexenschuss bekommen muss), zwischendurch gibt man seinem Nachbarn eine Massage, gibt sich die Hand und sagt "Molo"... und zum Schluss wird sich ganz leise hingesetzt. Der magische Moment wird dann genutzt, um das Ganze auf ein Neues zu probieren.

Das war nur ein kleiner Ausschnitt meines Tagesgeschäftes in Noxolo. Was ich zwischendurch, draußen, beim und nach dem Essen, während der Schlafenszeit und außerhalb der Arbeitszeit so erledige, kann ich ja pro Eintrag step by step erzählen. ;)

Kommen wir zum Gardening, neuerdings immer freitags, im biodynamischen Garten des Centres. Biodynamik? Eine recht komplizierte Geschichte, die den Versuch beinhaltet, Landwirtschaft geisteswissenschaftlich zu betrachten. Astrologisch zum Beispiel, wenn manche Pflanzenarten nur zu bestimmten Mondständen und Planetenkonstellationen angebaut werden dürfen. Oder psychologisch, weil der Pflanze beim Wachsen von Ort über Form bis Fruchtbildung alle Freiheiten gelassen werden sollen.
Und vor allem ökologisch, weil der Garten sich kreislaufartig selbst versorgt: Beete werden nur mit Kompost aufgefüllt, der mit Pflanzenabfällen aus dem selben Garten hergestellt wurde. Mit dem Dünger verhält es sich gleich. Das klingt vielleicht alles ein bisschen komisch, aber es steckt ja erstens auch eine große Wissenschaft dahinter, die ich nicht studiert habe und zweitens: es funktioniert super! Im Centre-Garten wachsen Möhren, Salat, Spinat, Lauch, Rucola, Pilze, Kräuter, Gewürze, Blumen und vieles mehr in großer Vielfalt. Es gibt auch Bäume, deren Holz wir ebenfalls im Gardening z.B. zu Regalen oder Schränken verarbeiten.

Unter ihnen findet sich leider auch Paul Jackson, eine Baumart aus Australien, die wegen ihrer Dominanz zum Erzfeind der südafrikanischen Flora und deren Bewunderer geworden ist. "Stomp out the ALIENS!" ist auf Autoaufklebern zu lesen, nebst einer Abbildung des Paul Jackson-Baums. Er wächst blitzschnell und überall, ein echter Parasit. Im Centre-Garten muss er deshalb regelmäßig beseitigt werden. Momentan bin ich damit beschäftigt, auf dem Gelände Wege anzulegen, bzw. ehemals vorhandene Durchgänge wiederzubeleben. Innerhalb weniger Wochen haben wir dadurch einen monströsen Gras- und Unkrauthaufen zusammengeschaufelt, -geharkt und gerupft. Das kommt später alles in ein Loch und wird zu Kompost, mit dem ein neues Beet angelegt werden kann – seems logic. Was im Gardening hergestellt wird, kommt natürlich den Educares zugute, ist aber viieeeeel zu wenig, um sie regelmäßig zu versorgen. Es geht mehr darum, dass wir das Gardening-Knowhow in unseren Educares einsetzen können. Das Noxolo Educare hat einen großen Garten, für den ich bisher aber nur Müll aufsammle. Vielleicht ergibt sich da mal was...

Eine weitere Aufgabe habe ich mir mit der Mitarbeit im Sabantwana-Team geschaffen. Sabantwana ("für die Kinder") ist ein Spendenprojekt, das von uns Freiwilligen komplett selbst organisiert wird. Hat ein Freiwilliger eine Idee für ein Projekt in seinem Educare (Wand streichen, Ausflug machen, Rutsche bauen, etc.), kann er bei Sabantwana Geld beantragen. Alle Spenden, auch wenn z.B. Verwandte / Bekannte das Projekt unterstützen wollen, laufen über Sabantwana. Das ist nötig, damit es nicht so aussieht als käme das Geld von uns privat, was große Eifersucht unter den Principals und ein falsches Bild ("die Gönner") von uns Freiwilligen vermitteln würde. So steht hinter jedem Cent Sabantwana allein. Weil natürlich nicht alles von Spendern aus Deutschland finanziert werden soll, müssen wir auch selbst Fundraising betreiben um einen allgemeinen Geldtopf zu füllen.
Ich selbst habe dabei den Job, mich um Projektberichte zu kümmern, die immer angefertigt werden müssen, wenn etwas über Sabantwana läuft. Sie sind wichtiger Bestandteil der Öffentlichkeitsarbeit, besonders auf unserer Homepage (nicht wundern, wird erst demnächst wieder auf den aktuellen Stand gebracht). Ich sorge dafür, dass die Berichte pünktlich veröffentlicht werden, korrigiere ggf. Fehler, überprüfe die Bilderauswahl und layoute ein bisschen. Außerdem habe ich als Teil des kleinen Teams eine Stimme wenn es darum geht, Anträge anzunehmen oder abzulehnen. Ich war neugierig, wie so ein Spendenprojekt funktioniert und was da in Sachen Verwaltung, Finanzen & co. so abläuft. Von daher bin ich über die kleine, aufwandsarme Nebenbeschäftigung ganz froh. ;)


Was gibt es sonst so? Mittwochs findet jetzt endlich der Xhosa-Sprachkurs statt, immer nur eine Stunde. Erfolg setzt also viel Übung in der Freizeit voraus, was ich mir aber auch vorgenommen habe. Ich muss isiXhosa nicht grammatikalisch einwandfrei sprechen können - aber ich will kommunizieren können. Sagt man in Deutschland "ich gestern Bäcker laufen", weiß doch auch jeder was gemeint ist. Egal wie, die Xhosas finden es eh immer witzig, wenn ein Mlungu (Weißer) ihre Sprache spricht. Ab und zu passiert es mir, dass ich wie selbstverständlich auf Afrikaans angeredet werde. Die "Weißensprache" spreche ich aber noch weniger als isiXhosa - da sieht man mal, von welch außergewöhnlicher Seite man als Freiwilliger beginnt, das Land kennenzulernen.


Soo, das war jetzt 'ne Menge Holz, aber damit wären jetzt auch die meisten Bereiche im Groben vorgestellt, ihr seid im Bilde und ich kann mich in Zukunft mehr aufs Erzählen konzentrieren, sofern das bei der Affenhitze überhaupt möglich ist. (das hab ich jetzt extra für alle Eiszapfen-an-der-Nase-Habenden in Deutschland erwähnt. :D)

In diesem Sinne:
Grüße in die weite Welt, macht es gut wo ihr seid und bis bald!


Lukas
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Und jetzt: Bilder! (natürlich mit Einverständnis der Eltern)


 

  
Lecker, halbe Ziegenköpfe! :D

:)

Donnerstag, 3. Oktober 2013

Arbeit im Noxolo-Educare

Hey!

Meine ersten Tage als Freiwilliger im Noxolo Educare-Centre sind vorbei und ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Über jeden Arbeitstag könnte ich seitenweise berichten... aber versuchen wir's mal! Heute mit der Haupttätigkeit im Kindergarten.

Ndisebenza eGugulethu - ich arbeite in Gugulethu, einem der größeren Townships von Kapstadt. In Noxolo trifft man für gewöhnlich zwei Erzieherinnen, eine Köchin und eine Leiterin an, die sich täglich um 60 -70 Kinder (von 0.5 bis 6 Jahren), Material, Haus, Garten und Gelände kümmern.
Here we go: eine Verstärkung in Form von zwei weltwärts-Freiwilligen mischt den Kindergarten-Alltag mächtig auf. Als einzige Weiße weit und breit sind wir nicht nur DIE Schau im Slum, sondern für Kids vor allem die lustigen Entertainer mit hundertprozentiger Herzlichkeit, großem Kuschelfaktor und immer-guter Laune - gefeierte Helden. Obwohl wir ausschließlich mit "Teacher" gerufen werden und kein Wort Kleinkinder-Xhosa verstehen, kommen wir bei vielen auf emotionaler Ebene irgendwie wohl gleich nach den Eltern. Das macht die Sache aber auch nicht unbedingt leicht, schließlich darf bei so vielen Kindern keines benachteiligt oder bevorzugt werden, wozu man halt schnell mal neigt. Mit manchen kann man sich einfach stundenlang - auch durchaus sinnvoll - beschäftigen und andere wollen nichts außer Action in Endlosschleife, was auf Dauer auch mal nerven kann. Es gibt aber auch besondere Kandidaten, die beispielsweise nicht sprechen wollen, wenig lachen, totale Einzelgänger sind oder einfach ganz in ihrer eigenen Welt leben - für sie ist jeder Tag mit uns ein kleiner Fortschritt. Und diese vielen Typen machen die Arbeit auch sehr vielfältig und anspruchsvoll.
Lohn ist hauptsächlich die Freude aller Beteiligten, die allein schon durch unsere Anwesenheit entsteht. Außerdem spüre ich, wie hintergründig ein kleiner Impuls gesetzt wird. Die Erzieherinnen machen zwar ihren Job, sind bei den Kids aber eher wegen den Bestrafungen gefürchtet, das ist mein Eindruck. Immerhin gibt es keine Schläge - was in anderen Educares gar nicht so unüblich ist -, der Umgang erscheint mir dennoch etwas grob, gerade für eine Waldorf-orientierte Einrichtung. Hier findet indirekt sowas wie ein Austausch statt, indem wir z.B. lernen eine Gruppe eigenständig zu führen und die Erzieherinnen sich von uns ein paar "sanfte", alternative Methoden dafür abschauen.
Von der Ausstattung her sind die Innenräume sehr schön gestaltet und Spielzeug ist zwar knapp aber geradeso ausreichend vorhanden. Der Außenbereich wirkt dagegen ziemlich trist mit ein paar Reifen, die eingegraben oder lose über das Gelände verteilt sind, wenigen Holzstücken und einer Sandgrube. Der "Garten", um den ich mich unter anderem auch kümmere, besteht aus ein paar Büschen und Kakteen, die zumeist mit Abfall übersät sind. Der Müll wird nachts von Fußgängern einfach über den Zaun geworfen und muss am nächsten Tag von uns eingesammelt werden, bevor ihn noch irgendwer in den Mund nimmt. Draußen möchte ich sehr gerne eine Veränderung schaffen. Beispielsweise mit einem Baum, einer Schaukel, einer Rutsche, etwas Farbe an der Mauer, o.ä..
Man sieht: wenn man will, kann man sich neben den Kindern auch noch mit eigenen Ideen und deren Verwirklichung beschäftigen. Noch ist es allerdings zu früh und sind wir zu neu, um das mal wirklich auf den Plan zu bringen...

Derzeit konzentriere ich mich nur darauf, den Noxolo-Alltag irgendwie zu meistern und die Kommunikation zu verbessern, wozu vor allem das Lernen der Namen und besonders der Sprache notwendig ist. Außer überraschte bis entsetzte Blicke (und ab und zu mal einen Funken von Dialog) habe ich mit meinem Xhosa allerdings noch nicht viel erreicht. ;D Ich bin zuversichtlich, dass sich das mit der Zeit bessert, weil ndiyafunda - ich lerne!
Tägliche Abläufe wie das Servieren von Pap - geschmacksloser Maisbrei -, den Morgenkreis oder das Vorbereiten auf den Mittagsschlaf sind schon fast routiniert. Immer wieder abenteuerlich wird es dagegen beim Mittagessen, von dem wir Freiwillige meist eine Portion abbekommen. Ich habe tatsächlich schon aufgewärmtes Pap mit Schafsmagen gegessen! Das war zwar ein echter Kampf (wuäh!), aber im Nachhinein habe ich beschlossen, in Zukunft trotzdem keine Mahlzeit auszuschlagen. Wenn schon Dienst im Township, dann auch richtig!

Großes Kino!
Vom Fenster aus kann man die
wöchentlichen TV-Dreharbeiten
vor der Haustür beobachten.
Hier wird gerade eine Nachtszene
im Auto vorbereitet.

Oh man, es passiert jeden Tag vom Aufstehen bis zum Einschlafen einfach so viel, dass mir eine "Zusammenfassung" echt schwer fällt.
Ich kann nicht glauben, so viele Dinge in nur so kurzer Zeit erlebt zu haben!
Aber ich habe ja noch lang genug Zeit, über Details und kleine Stories zu schreiben. Das gilt auch für Fotos, die aus diversen Gründen leider nicht so einfach zu machen sind. Deshalb: habt Geduld! Oder schreibt mir einfach wieder. ;)









Bhutis und Sisis, für heute war's das mal wieder aus weit, weit, weit weg.

Liebe Grüße nach überall, bis bald!

Lukas

Dienstag, 24. September 2013

Erste Freizeit

Das verlängerte Wochenende wurde für typischen Touri-Kram verbraten. Richtige Touristen sind wir ja nicht, aber das weiß nunmal keiner. Am Liebsten hätte ich es mir dick und fett auf die Stirn geschrieben. Naja, dafür sind wir dann aber auch richtig in die Vollen gegangen. Kapstadt mit Shoppen, Green Market, V&A Water Front, Green Point, Riesenrad und Signal Hill, daheim ein Tag am Strand, nochmal Kapstadt mit Signal Hill... und heute sind wir noch zu dritt "etwas extremer" den Berg von Muizenberg raufgeklettert (einfach die Wand hoch, wer braucht schon Wanderpfade?). Naja. Das Meiste erleben wir hier mit Sicherheit noch so oft, dass es irgendwann nichts Besonderes mehr ist - aber zum Kennenlernen musste dieses Blitz-Sightseeing irgendwie trotzdem sein.
Hat aber auch einen nachhaltigen Effekt: Im Zentrum von Cape Town kann ich mich jetzt schon grob orientieren, bin routinierter Bahnfahrer und weiß, wo ich was kriegen kann. Dieses Wissen wirkt auch dem leidigen Gefühl entgegen, ich sei hier nur im Urlaub. Das verschwindet wahrscheinlich ganz, sobald ich ein paar mal gearbeitet habe. Der Tafelberg am Horizont ist für mich nach den paar Tagen aber schon zum Zeichen für ein "Zuhause" geworden, wo ich mich richtig wohlfühle. :)
Und Muizenberg ist sowieso the place to be - das Riesenglück, jeden Morgen an diesem schönen Ort aufwachen zu dürfen, schätze ich sehr. Aus unserer anfangs noch etwas sehr runtergekommenen Bude haben wir mittlerweile auch eine recht hübsche, ordentliche Wohnung gemacht. Klar hat sie ihre Macken, aber das nimmt man mit Humor. ;)

Morgen ist mein erster Arbeitstag und auch gleich Frühschicht. Das heißt: um halb 6 Uhr fliegt mein Wecker gegen die Wand, ich verpasse fast die Bahn um 7 und komme per Bus gegen 8 ins Township. Um 13-14 Uhr habe ich dafür aber schon Feierabend. Spätschicht gibt es auch - das ist das Ganze um 1,5 Stunden nach hinten verschoben. Mittwochs ist immer Gardening, was diese Woche aber entfällt (zu Beginn konnten wir uns zwischen zwei Workshops - Gardening (Gartenarbeit) und Craft (Werkstatt, Reperatur) - entscheiden, die einmal wöchentlich am Centre stattfinden).

In jedem Fall muss ich halt immer verdammt früh aufstehen.
Diesmal gibt es noch ein paar Bilder vom Wochenende, viel Spaß damit. ;)

Ich grüße in die Heimat und in alle Welt.

Bis bald!
Lukas

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Freitagsmarkt in der Garage.

Muizenberg am Abend

Drachenbootrennen an der Waterfront in Kapstadt

Das WM-Stadion

Cape Town mit Devil's Peak

Green Point mit Stadion, Atlantik und Robben Island am Horizont

Muizenberg am Tag

die kultigen Badehäuser

auf dem Signal Hill

Table Mountain & Lion's Head

Klettern auf den "Muizenberg-Berg" - nicht ganz risikofrei!

Indischer Ozean

Huuuiiiii :)

wunderschöne Aussicht 360°



:)